Interviews und Artikel

Nils Johannes Kubiak

Nils Johannes Kubiak ist ehemaliger Waldorfschüler und hat das Waldorfkinderhaus-Herne e.V. als eines der ersten Kinder von 1994 bis 1997 besucht. Er studierte an der Technischen Akademie Wuppertal e.V. in Kooperation mit der DIPLOMA HOCHSCHULE in Bochum und ist staatlich anerkannter Erzieher sowie staatlich anerkannter Kindheitspädagoge im Bereich „Leitung und Management“. Im Waldorfkinderhaus-Herne e.V. hat Nils Johannes Kubiak seit 2010 unterschiedliche Führungspositionen bekleidet und dabei in verschiedenen Fachgebieten von Dr. Wolfgang Saßmannshausen, Dr. Martin Dickmann und Prof.in Dr.in Gabriele Hoppe praxisorientierte Hochschullehre erhalten. In seiner Arbeit als freier Autor und Dozent schreibt er unter anderem über die Kinderrechte und das Kitamanagement und interviewt Expert:innen zu aktuellen Themen aus den Fachbereichen Frühpädagogik, Gesundheit und Soziales.

Interviews

Hier finden Sie Interviews und Artikel aus den Fachbereichen Frühpädagogik, Gesundheit und Soziales von Nils Johannes Kubiak.

Bildung ist Menschenrecht, Februar 2024

Jasmin Schwanenberg hat in Erziehungswissenschaften promoviert und leitet das Bildungsbüro in Herne. Darüber hinaus ist sie Autorin verschiedener Fachbücher. Im folgenden Interview spricht Nils Johannes Kubiak mit ihr über frühkindliche Chancengleichheit, befragt sie zur Zukunftsgestaltung im Bildungswesen und erhält einen Einblick darin, weshalb das kritische Denken im Umgang mit künstlicher Intelligenz unabdingbar ist.

Nils Kubiak: Frau Dr. Schwanenberg, vielen Dank für die Einladung ins Bildungsbüro. Gerne würde ich etwas über die Aufgabe ihrer Einrichtung erfahren.

Jasmin Schwanenberg: Das Bildungsbüro hat die Aufgabe mittels Kooperation und Vernetzung die kommunale Bildungssituation zu bündeln und voranzutreiben, sodass sich diese für die Herner Bürger:innen und insbesondere für die Heranwachsenden verbessert. In diesem Zusammenhang machen wir Bildungsangebote transparent, vernetzen Einrichtungen inklusive deren Akteur:innen, koordinieren Projekte und organisieren Veranstaltungen. Dabei haben wir stets die gesamte Bildungskette im Blick, was bedeutet, dass sich unsere Aktivitäten auf die frühkindliche Bildung sowie auf die Erwachsenenbildung beziehen.

NK: In Herne sind Sie für das Bildungsmonitoring zuständig. Wird es einen neuen Bildungsbericht geben und wenn ja, wann wird dieser erscheinen?

JS: Vor dem Hintergrund des Programms Lernen vor Ort, das von 2009 bis 2015 in Herne umgesetzt wurde, haben wir eine Tradition der Bildungsberichterstattung geschaffen. Im September 2025 soll der inzwischen fünfte Bildungsbericht der Stadt Herne veröffentlicht werden. Wir verfolgen das Ziel, alle fünf Jahre einen Bildungsbericht herauszugeben, sodass für bildungspolitische Maßnahmen regelmäßig eine Grundlage vorliegt. Auf diese Weise kann ein datenbasiertes Bildungsmanagement erfolgen und sich der kommunale Anspruch „von Daten zu Taten“ umsetzen lassen. Neben dem Bildungsbericht veröffentlichen wir jährlich einen Datenreport, welcher den Bürger:innen und der Kommunalpolitik in tabellarischer Aufmachung einen kurzen Überblick über die aktuellen Bildungsdaten gibt.

NK: Warum kann die Bildungsberichterstattung für Familien von Kita- und Schulkindern interessant sein?

JS: Nach meiner Auffassung ist es wichtig, dass Eltern über das Bildungswesen in ihrer Kommune informiert sind. Die Bildungsberichterstattung benennt beispielsweise die Anzahl der Schüler:innen an den Herner Schulen und gibt Einblicke über Übergänge und Abschlüsse. Damit Familien aus der Abhandlung die persönlich richtigen Schlüsse ziehen können, empfehle ich eine fachliche Begleitung. Vordergründig sind die Adressat:innen der Publikationen die kommunale Bildungspolitik, Fachplaner:innen aus der Verwaltung sowie Fachkräfte.

NK: Im Rahmen der empirischen Erziehungswissenschaft haben Sie eine Studie zum elterlichen Engagement im schulischen Kontext geleitet und dazu ein Fachbuch veröffentlicht. Was war der Forschungsanlass und worum geht es in der Untersuchung?

JS: Von 2009 bis 2017 war ich im Projekt „Ganz In – Mit Ganztag mehr Zukunft. Das neue Ganztagsgymnasium NRW“ als wissenschaftliche Mitarbeiterin angestellt und verfolgte das Ziel eine Promotionsarbeit zu schreiben. Erfreulicherweise durfte ich mich in der Themenwahl frei bewegen und in Anbetracht der Tatsache, dass mich das elterliche Engagement über einen längeren Zeitraum interessierte, entschied ich mich für eine Untersuchung im schulischen Kontext. Zu dieser Zeit wusste ich bereits, dass es in der Regel mit größeren Herausforderungen verbunden ist, ein flächendeckendes, elterliches Engagement im Kontext von Schule zu erwirken. Darüber hinaus vermutete ich, dass sich ohnehin die Eltern engagieren, von denen man es erwartet. Mein Forschungsanlass bestand darin zu untersuchen, in welchem Bereich von Schule sich Eltern engagieren. Um diesem nachzukommen, zog ich ein Modell heran, welches zwischen der organisatorischen-, konzeptionellen- und lernbezogenen Elternarbeit unterscheidet und welches die elterliche Absicht von Mithilfe berücksichtigt. In diesem Zusammenhang wandte ich ein im nordamerikanischen Raum etabliertes Erwartungs-Wert-Modell auf den deutschsprachigen Raum an. Ich konnte mit der Untersuchung zeigen, dass sich Eltern insbesondere dann engagieren, wenn es ihnen persönlich wichtig ist und wenn sie einen expliziten Nutzen für sich oder ihr Kind in der Beteiligung sehen. Außerdem wurde deutlich, dass sich Eltern vor allem organisatorisch engagieren, zum Beispiel beim Backen von Kuchen, in der Mithilfe bei einem Schulfest oder in der Unterstützung bei den Hausaufgaben. Betreffend der konzeptionellen Elternarbeit zeigte sich, dass diese für wenige Eltern vorgesehen ist und daher selten umgesetzt wird.

NK: Lange Zeit galt Schule als das basale Soziotop, indem sich Bildungsprozesse vollziehen. Mittlerweile haben Kindertagesstätten an Bedeutung gewonnen, doch machen Kinder in den ersten sechs Lebensjahren die wichtigsten Lernerfahrungen innerfamiliär. Warum nimmt die elterliche Bildungsinstanz in der frühkindlichen Lebensphase den größten Einfluss auf Kinder?

JS: Unumstritten ist die Familie die primäre Sozialisationsinstanz und aller Voraussicht nach wird sie es bleiben. Meines Erachtens werden in der frühkindlichen Lebensphase, welche viele Kinder ohne Fremdbetreuung verbringen, die basalen Normen und Werte vermittelt sowie die grundlegenden, kognitiven Fähigkeiten ausgebildet.

NK: Der Bildungsbegriff wird von Kindheitsforscher:innen unterschiedlich definiert und diskutiert. Wilhelm von Humboldt (1767–1835) definierte Bildung als „die Anregung aller Kräfte des Menschen, damit diese sich über die Aneignung der Welt entfalten und zu einer sich selbst bestimmenden Individualität und Persönlichkeit führen“. Wie würden Sie Bildung beschreiben?

JS: Bildung ist Menschenrecht. Das steht für mich an erster Stelle. Ganz wesentlich ist für mich auch, dass Bildung nicht nur Wissensvermittlung und Wissensaneignung ist, vielmehr ist sie der Schlüssel zur gesellschaftlichen Entwicklung und zu sozialer Teilhabe. Darüber hinaus verstehe ich Bildung als lebenslangen Prozess, welcher im engen Zusammenhang mit Selbstentfaltung steht und stets dazu führt, dass kritisch mit sich und der Umwelt umgegangen wird. Es kann davon ausgegangen werden, dass ohne Bildung keine gesellschaftliche und individuelle Entwicklung möglich ist.

NK: Chancengleichheit in unserem Bildungssystem ist ein hochaktuelles Thema. Worum geht es da genau?

JS: Aus meiner Sicht geht es bei Chancengleichheit darum, dass jeder unabhängig von seiner sozialen Herkunft, Abstammung und Geschlecht in Bezug auf Bildung die gleichen Chancen erfährt. Aktuellen Studien, beispielsweise die IGLU-Studie 2021 (Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung), die PISA-Studie 2022 sowie der neuste Bildungstrend des Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen der Humboldt-Universität zu Berlin zeigen uns, dass Gegenteiliges der Fall ist. Diese Untersuchungen wurden durch weitere nationale und internationale Studien bestätigt. Es lässt sich festhalten, dass der Chancengleichheit im deutschen Bildungssystem bisher nicht ausreichend nachgekommen wird. Der Bildungserfolg von Kindern hängt maßgeblich von sozialen Faktoren und insbesondere vom sozialen Hintergrund ab. Vergleicht man die aktuellen Ergebnisse der PISA-Studie, mit denen der ersten aus dem Jahr 2000 wird deutlich, dass sich der Negativtrend kontinuierlich fortsetzt.

NK: In keinem Land der OECD ist der Bildungserfolg von Kindern so stark vom Elternhaus abhängig wie in Deutschland. Was machen andere Länder besser?

JS: Tatsächlich lohnt sich in puncto „Bildungskonzepte“ und „Bildungssysteme“ ein Blick über den Tellerrand. Es ist interessant zu erfahren, was beispielsweise skandinavische Länder anders machen und wie dort im Unterricht gearbeitet wird. Kürzlich durfte ich einem sehr informativen Vortrag einer Lehrerin aus Herne beiwohnen, die Kinderarmut im Kontext aktueller Studien thematisierte und aufzeigte, dass Kinder aus ärmeren Verhältnissen mit den teilweise angewandten Unterrichtsformaten und Unterrichtsgestaltungen nicht angemessen lernen. Beispielhaft sei an dieser Stelle angeführt, dass, wenn nach den Ferien von Lehrkräften einfordert wird, einen Aufsatz über die Ferienerlebnisse zu schreiben, es jedoch Kinder gibt, die keinerlei Zoobesuche, Ausflüge oder gar Urlaube erleben durften, Schule der Chancengleichheit nicht gerecht wird. Aus meiner Sicht ist es angebracht, Unterrichtskonzepte und Lehrmaterialien dahingehend anzupassen, damit alle Kinder, ganz gleich aus welchen sozialen Verhältnissen sie kommen, erreicht werden.

NK: Ist Kinderarmut auch Bildungsarmut?

JS: Ja, definitiv. Kinder aus bildungsfernen Haushalten sind besonders armutsgefährdet.

NK: In unserem Bildungssystem geht es vordergründig um Wissenszuwachs, gute Noten, Qualifikationen und Abschlüsse und insbesondere um die Verfügbarkeit für den Arbeitsmarkt. Wieso tun wir uns so schwer damit, die Formung der Persönlichkeit und deren Entwicklung als oberste Prämisse in der Bildungslaufbahn eines Heranwachsenden anzuerkennen?

JS: Die Tradition unseres Bildungssystems berücksichtigt vordergründig das Leistungsprinzip, welchem der Leistungsgedanke zugrunde liegt. Darüber hinaus ist es in sich geschlossen und verfolgt an oberster Stelle das Ziel, am Ende eines Bildungsabschnitts Zertifikate und Abschlüsse zu verleihen. Die Persönlichkeitsentwicklung von Heranwachsenden, deren Bedeutsamkeit in diesem Kontext unstrittig ist, wird sekundär wahrgenommen. Selbstverständlich gibt es Beispiele, die ein anderes Bild wiedergeben und zeigen, dass Bildungsarbeit auch dann gelingen kann, wenn die Persönlichkeitsentwicklung im Mittelpunkt steht. Es gibt auch in Herne immer mehr innovative Projekte die ausdrücken, dass Schule auch anders gedacht, erfolgreich gestaltet und gelebt wird. Ich bin mir sicher, dass mittlerweile verstanden wird, dass in unserem Bildungssystem neue Wege eingeschlagen werden müssen, damit sich vor dem Hintergrund der bestehenden Notwendigkeit positive Veränderungen herbeiführen lassen. Dass in unserem Bildungswesen ganzheitlich über neue Ansätze nachgedacht wird, halte ich für sehr wichtig.

NK: Bildung für nachhaltige Entwicklung soll es Menschen ermöglichen, zukunftsfähig denken und handeln zu können. Können Sie sich BNE als Schulfach vorstellen?

JS: Aktuell verstehe ich BNE als grundlegendes Konzept und übergeordnete Strategie. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass BNE aufgrund der Relevanz und Breite in unterschiedlichen Schulfächern Eingang findet. Es gibt durchaus positive Trends die zeigen, dass BNE inzwischen gesamtheitlich verstanden wird und im vollständigen Schulunterricht Anklang findet.

NK: Professor Harald Lesch und Professor Manfred Spitzer plädieren für mehr Unterricht in Fächern wie „Kunst“, „Sport“ und „Musik“. Sie merken an, dass dies die Schulfächer seien, die Kinder hauptsächlich in ihrer Kreativität, Potenzialentfaltung und Kompetenzentwicklung unterstützen. Kann von dieser Betrachtungsweise abgeleitet werden, dass sich Schulkonzepte denen der Kitas angleichen sollten?

JS: Betreffend innovativer und offener Konzepte kann sich Schule sicherlich etwas von der Bildungsarbeit in Kindertagesstätten abgucken. Vor dem Hintergrund von Wettbewerb und Abschlüssen ist es mir wichtig, auf die unterschiedlichen Bildungsaufträge beider Institutionen hinzuweisen. Die konzeptionelle Arbeit in Schulen hat sich in den vergangenen Jahren fraglos geöffnet und der Trend zu einem selbstorganisierten Lernen in offenen Arbeitsräumen ist erkennbar. Ich schließe mich dem Plädoyer der Experten an, wenngleich die Kernfächer bzw. Kernaufgabe von Schule in meinen Augen nicht aus dem Blick geraten darf.

NK: Professor Gerald Hüther, der in der frühkindlichen Bildung großen Anklang mit seinen Publikationen und seiner Haltung findet, spricht sich für eine unverzügliche Debatte über das Bildungswesen hierzulande aus und führt in diesem Kontext an, dass die Schule, wie wir sie heute kennen, ausgedient habe. Explizit verweist er in diesem Zusammenhang auf die Perspektive des eigenaktiven Kindes, auf seine kognitive Entwicklung und seine Lernfreude und schlägt darüber hinaus einen Bildungscampus in jeder Stadt vor, damit Schule die Aufgaben übernehmen kann, für die sie konzipiert wurde. Was halten Sie von diesem Ansatz?

JS: Ich kann mir sehr gut einen Bildungscampus vorstellen, in welchem sich sowohl Schule als auch Kindertagesstätte sowie die offene Kinder- und Jugendarbeit praktizieren lassen. Unlängst habe ich auf einem Kongress von einem Dortmunder-Modell gehört, welches unter der Bezeichnung Kindercampus mit einer ähnlichen Idee, einschließlich Jugendzentrum, pilotiert. Ein solcher Bildungscampus würde für Kinder dahingehend von Vorteil sein, indem sie gleichbleibende Strukturen erfahren und sich Bildungsübergänge, mit denen wir uns im Bildungsbüro mit dem Ziel der kommunalen Qualitätssteigerung intensiv auseinandersetzen, angemessen gestalten lassen. Des Weiteren kann ich mir die Niederlassung einer Musikschule sowie das Angebot von Logopädie und Ergotherapie in einem Kinder- oder Bildungscampus sehr gut vorstellen. Adäquate Nachmittagsangebote sowie die Berücksichtigung des Ganztags würden dem Ansatz außerdem zugutekommen.

NK: Müssten für derartige Projekte die nordrhein-westfälischen Ministerien (Ministerium für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration und Ministerium für Schule und Bildung) enger zusammenarbeiten?

JS: Beide Ministerien kommunizieren nach außen eine enge Zusammenarbeit. Mit der Intention in Herne ein gutes Zusammenwirken zwischen Kindertagesstätte und Schule darbieten zu können, stellen wir hin und wieder Doppelstrukturen in den Sektoren fest, vornehmlich dann, wenn es um Aufrufe für kommunale Förderprogramme geht. Eine engere Zusammenarbeit beider Ministerien ist deshalb wünschenswert, da Doppelstrukturen abgebaut und Förderprogramme sowie innovative Ansätze sich noch besser umsetzen ließen.

NK: Werfen wir einen Blick auf die Erwachsenenbildung. Das Studium generale liegt bundesweit im Trend – aber was ist das eigentlich?

JS: Das Studium generale ist ein Angebot von Lernveranstaltungen, die über ein bestimmtes Fachgebiet hinausgehen. Mit dieser Weiterbildung haben Interessierte die Möglichkeit über den Tellerrand zu blicken und Fachkenntnisse aus unterschiedlichen Gebieten zu erwerben. Das Studium generale ist quasi allgemeinbildend.

NK: Welchen Nutzen kann das für Absolvent:innen darstellen?

JS: Die Studierenden stellen sich breit auf, was für potenzielle Arbeitgeber:innen durchaus attraktiv sein kann.

NK: Unter dem Motto „The future is now“ wird an Hochschulen, Berufskollegs und Schulen unter anderem mit Virtual Reality gelehrt und gelernt. Wie hat sich das kommunale Bildungswesen in den vergangenen Jahren durch den Gebrauch moderner Tools sowie durch den Ausbau digitaler Infrastrukturen verändert?

JS: Die Abteilung Bildungsmanagement und Digitalisierung, in der das Bildungsbüro eingegliedert ist, engagiert sich intensiv in der Umsetzung von Digitalisierung. In diesem Kontext werden Schulen und Berufskollegs mit digitaler Infrastruktur ausgestattet und zum Beispiel Smartboards installiert sowie Tablettes zur Verfügung gestellt. Die aufnehmende Fahrt der kommunalen Digitalisierung ist zweifelsfrei erkennbar und von einer kontinuierlichen Optimierung von Lehre und Lernen kann ausgegangen werden.

NK: Die künstliche Intelligenz ChatGPT kann für dialogische Anwendungen, als Ideengeber oder zur Hilfe bei der Vorstrukturierung und Verfassung von Texten genutzt werden. Warum ist es dennoch wichtig, dass wir unser analytisches- und kreatives Denken sowie unsere Reflexionskompetenz weiter ausbilden und anwenden?

JS: Meiner Auffassung nach sind die von ihnen angesprochenen Kompetenzen essenziell und der Gebrauch des eigenen Verstandes das mitunter höchste Gut. Es ist insbesondere in Anbetracht von Fake News unabdingbar, dass wir im Umgang mit digitalen Medien unser eigenes Denkvermögen einsetzen und Informationen kritisch hinterfragen. Ein hoher Anteil unserer Heranwachsenden verbringt bis zu siebzig Prozent der Freizeit in sozialen Medien und da ist die Differenzierung zwischen seriösen- und Fake News bedeutungsvoll. Würde man sich ausschließlich auf künstliche Intelligenz verlassen, wird das kritische Denken geschwächt und sich unter anderem der Informationsflut hingegeben. Die Entscheidung zwischen Realität und Fake sowie zwischen richtig und falsch stellt uns im digitalen Zeitalter zunehmend vor große Herausforderungen.

NK: Gegenwarts- und Zukunftsgestaltung im Bildungswesen kann nur dann gelingen, wenn …

JS: … alle Beteiligten den aktuellen, dringenden Handlungsbedarf erkennen und Mut sowie Bereitschaft zu Veränderungen besteht. Für Herne wünsche ich mir, dass vom Bund und Land finanzielle und personelle Ressourcen bereitgestellt werden, damit eine gegenwarts- und zukunftsorientierte Gestaltung des kommunalen Bildungswesens möglich ist und sich innovative Konzepte realisieren lassen.

NK: Vielen Dank für das Gespräch.

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Kommunikation – Mittel, Medium und Schlüsselkompetenz, Dezember 2023

Jeannine Divoux hat Fitness & Health- und Kommunikationsmanagement in Düsseldorf studiert und arbeitet an der Technischen Akademie Wuppertal e.V. im Bereich Digitalmarketing als Social-Media-Managerin. Darüber hinaus ist sie Dozentin an der Junior-Uni in Wuppertal. Im Gespräch mit Nils Johannes Kubiak spricht sie über wissenschaftliches Arbeiten mit Kindern, erläutert die Bedeutung der rhetorischen Werkzeuge „Ethos“, „Pathos“ und „Logos“ im Gebrauch sozialer Medien und zeigt auf, wie Kommunikation in Kitas gelingen kann.

Nils Kubiak: Liebe Jeannine, seit wann dozierst du an der Junior-Uni und wie ist es dazu gekommen?

Jeannine Divoux: Vor genau zehn Jahren war der fünfte Geburtstag der Junior-Uni. Bei der damaligen Feier war ich anwesend und bin mit dem Fachkoordinator ins Gespräch gekommen. Dieser berichtete mir vom Bedarf fachkundiger Physik-Dozent:innen und in Anbetracht der Tatsache, dass ich zu dieser Zeit Musik und Physik studierte, fragte er mich, ob ich interessiert sei, Kurse zu geben. Ich war von der Idee begeistert, stimmte zu und begann Lego we do – Lego Robotik Seminare zu geben.

NK: Wie gestaltet sich dein Arbeitsfeld heute?

JD: Mein Arbeitsfeld ist vielseitig. Mittlerweile gebe ich verschiedene Kurse, zum Beispiel rundum Trainingswissenschaften oder gehe mit Kindern der Frage nach, wie ein Radio gebaut wird.

NK: Wie groß sind die Lerngruppen?

JD: Es können maximal sechzehn Kinder an einer Bildungsveranstaltung teilnehmen.

NK: Kannst du einen Einblick in das Kursangebot geben?

JD: Das Angebot hat sich über die Jahre fortlaufend erweitert und mittlerweile werden Kurse interdisziplinär angeboten. Die Junior-Uni, die ihren Ursprung in der Naturwissenschaft hat, bietet heute Seminare zur Musik und Kreativität sowie zum Recycling oder sportliche Angebote an. Im Rahmen dieser Arrangements kooperieren wir mit Partner:innen, sodass auch Exkursionen möglich sind. In den Kursen wird theoretisch und vordergründig praxisorientiert gearbeitet, was bedeutet, dass Kinder Experimente durchführen. Beispielhaft sei an dieser Stelle der Handball-Forschungskurs genannt, welcher alles rundum Physik in der Kombination mit Handball beinhaltet. Die Kinder und Jugendlichen bilden Wurfparabeln ab, wenden sie an und lernen Geschwindigkeiten zu messen. Am Ende des Kursus besuchen wir den Bergischen HC und schauen uns gemeinsam ein Spiel an.

NK: Wie unterscheidet sich das Lehren und Lernen in einer außerschulischer Bildungs- und Forschungseinrichtung zur Arbeit an einer Grundschule?

JD: Als Dozentin habe ich die Möglichkeit frei arbeiten zu dürfen, womit ich meine, dass ich in keinem direkten Auftrag eines Lehrplans stehe. Die Lerngruppen sind darüber hinaus halb so groß wie Grundschulklassen und wenn mit den Kindern ein Radio gebaut und elektrische Teile gelötet werden, wird das Gruppengeschehen auf zwölf Teilnehmer:innen begrenzt. Ein weiterer Unterschied ist, dass in jeglicher Hinsicht praktisch gewirkt und gewerkt wird, was für die Kinder einen Mehrwert darstellt, da sie einen Theorie-Praxis-Transfer erfahren und sich mit ihrem Handeln ganzheitlich verbinden. Des Weiteren gibt es keinerlei Einschränkungen in puncto Materialien und falls einmal Bedarf besteht, wird sich gekümmert. Für die Kinder ist es eine große Freude, die angefertigten Projekte am Ende des Kurses mit nach Hause zu nehmen.

NK: Wird auf Bildungs- und Lehrpläne grundlegend verzichtet?

JD: Keinesfalls. Die Dozierenden erstellen Lehrpläne, für welche Ziele und Vereinbarungen festgelegt werden. Von einer methodisch-didaktischen Vorbereitung kann zweifelsfrei ausgegangen werden.

NK: Wieso ist es wichtig, Kindern frühzeitig den praxisnahen Zugang zu Wissenschaft und Forschung zu ermöglichen?

JD: Kinder haben einen großen Forscherdrang. Ab einem gewissen Alter stellen sie Warum-Fragen und diese sind ganz entscheidend dafür, dass sie sich durch Forschen und Experimentieren in ihrem kreativen Handeln weiterentwickeln. Damit diesem nachgekommen werden kann ist es notwendig ihnen Möglichkeiten zu bieten, sodass sie durch praktisches Lernen Antworten auf ihre Fragen finden können. Die Dozierenden an der Junior-Uni nehmen die Impulse der Kinder auf und unterstützen den Forscherdrang dahingehend, indem sie kindgerechte Lernräume schaffen, die zum freudigen Tätigsein anregen. Jene Selbstbildungsprozesse, die Kinder bei uns erfahren, schenken ihnen Selbstvertrauen und bestärken sie ihrer Absicht weiter nachzugehen. Mit Kindern wissenschaftlich zu arbeiten bedeutet für mich, dass Bildungsprozesse nachvollziehbar und durchschaubar sind. Dies ist von Bedeutung, damit Daten und Fakten frühkindlich beleuchtet und auf verschiedenen, messbaren Parametern erforscht werden können. Forschung und Wissenschaft können in Zukunft nur dann möglich sein, wenn sich Kinder und Jugendliche kreativ ausprobieren.

NK: Was kannst du über die Dozierenden an der Junior-Uni berichten?

JD: Die Dozierenden verfügen über grundlegendes, pädagogisches Know-how. Für gewöhnlich kommen sie aus praktischen Arbeitsgebieten und bringen aus ihren Unternehmen die Leidenschaft mit, dass, was sie tagsüber ausführen, an Kinder weitergeben zu wollen. In der Ausgestaltung werden sie von den Fachkoordinator:innen unterstützt, damit Methodik und Didaktik auf pädagogischer Grundlage erfolgen. Manchmal kommt es vor, dass ein Lehrplan umgestellt wird, da es im Hinblick auf die Kursgruppe notwendig ist didaktische Anpassungen vorzunehmen. Wichtig für die Lehre an der Junior-Uni ist, dass stets am Entwicklungsstand der Kinder angesetzt wird. Nur so können die Interessen aufgegriffen und neue Lerngebiete erkundet werden. An der Junior-Uni zu arbeiten bedeutet für mich auch Learning by Doing.

NK: Wird an der Junior-Uni mit Lern-Apps gearbeitet?

JD: Lern-Apps, die meines Wissens sehr gut in der Arbeit mit Kindern funktionieren, finden bisher keine praktische Anwendung. Es gibt jedoch Online-Kurse mit beachtlicher Reichweite. Wir haben zum Beispiel Teilnehmer:innen aus Nordamerika. Die Junior-Uni gibt es folglich nicht nur ortsgebundenen und ich kann sagen, dass wir uns kontinuierlich, breiter aufstellen. Damit die Kinder bei uns gut miteinander kommunizieren können nutzen sie beispielsweise Microsoft Teams.

NK: Wer darf die Junior-Uni besuchen?

JD: Im Prinzip kann die Junior-Uni von allen Bildungsinteressierten besucht werden. Es ist ähnlich wie in der Erwachsenenlehre, denn es gibt verschiedene Semester für die sich eingeschrieben wird, wenn kindliches und elterliches Interesse besteht. Dass die Junior-Uni ausschließlich für die Bildungselite bestimmt sei, trifft nicht zu. Die Kosten für die Teilnahme an einem Kurs sind minimal, sodass sich quasi jede Familie einschreiben kann. Wenn es vorkommt, dass die Startgebühr von circa 7–10 Euro für ein sechswöchiges Seminar nicht erbracht werden kann, versuchen wir zu unterstützen. An der Finanzierung sollte eine Teilnahme folglich nicht scheitern. Ich möchte in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass wir in der Regel relativ schnell, also ein bis zwei Tage nach der Kursveröffentlichung ausgebucht sind. Selbstverständlich können auch Kitas, frühkindliche Lerngruppen und Schulen die Junior-Uni besuchen.

NK: Wo können sich Eltern über das Angebot der Junior-Uni informieren?

JD: In erster Linie würde ich die Website empfehlen >>LINK. Dort können Informationen über Projekte, Kurse und Altersklassen gefunden werden.

NK: Was sollten Eltern außerdem wissen?

JD: Wir sind eine private Bildungseinrichtung, die sich auch über Spenden finanziert. Im Allgemeinen sind die Kinder und Jugendlichen an der Junior-Uni vier bis zwanzig Jahre alt und es gibt für jede Alterskategorie Angebote. Erwähnenswert sind zudem die berufsvorbereitenden Seminare, welche sich stets hoher Beliebtheit erfreuen. Ich kann es empfehlen, vorbeizukommen und sich ein eigenes Bild zu verschaffen.

NK: Sprechen wir über deine Aufgabe im Digitalmarketing. Worum geht es in der Arbeit einer Social-Media-Managerin?

JD: In meiner Arbeit geht es darum, die Technische Akademie Wuppertal e.V. sichtbar zu machen. Meine Aufgabe ist es, all das, was bei uns los ist, das betrifft Produkte, Bildungsgänge, die Marke und selbstverständlich die Dienstleistungen, nach außen zu kommunizieren. Jeder Kanal, der bedient wird, erfordert eine individuelle Ansprache an das öffentliche Publikum. Eine weitere Aufgabe finde ich darin, Bildungsinteressierten Wege aufzuzeigen, die für sie Karriereperspektiven darstellen. Der Content, den wir in diesem Zusammenhang publizieren, soll stets einen Mehrwert, zum Beispiel in der fachspezifischen Wissenserweiterung beinhalten. Social-Media im beruflichen Kontext bedeutet für mich über verschiedene Kanäle zu kommunizieren und Interaktionen zu generieren, damit eine Community entstehen kann und Wissenstransfer möglich ist.

NK: Warum sind die rhetorischen Werkzeuge „Ethos“, „Pathos“ und „Logos“ für die Arbeit mit sozialen Medien von Bedeutung?

JD: Tatsächlich ist es sinnvoll, die drei Werkzeuge einzubeziehen und anzuwenden. Ethos, also die Glaubwürdigkeit soll bei Dienstleistungen Kundenvertrauen herstellen, insbesondere dann, wenn Bildungswege aufgezeigt werden. Pathos, also der emotionale Aspekt ist belangreich, damit ein positives Gefühl, beispielsweise im Kontext eines Posts bei den Leser:innen entsteht. In der Bildungsarbeit versuchen wir Interessierten stets zu offenbaren, welche beruflichen Möglichkeiten sich bieten, was wiederum motivieren und ermutigen soll, eine Weiterqualifizierung anzustreben. Betreffend Logos ist es wichtig ausschließlich Daten und Fakten zu teilen, die wissenschaftlich fundiert sind, vor allen Dingen dann, wenn eine Veröffentlichung durch eine Statistik bekräftigt wird.

NK: Welchen Einfluss nehmen digitale Medien auf die Sprachentwicklung von Kindern?

JD: Ich denke, dies kommt darauf an, wie mit digitalen Medien innerfamiliär und in Bildungseinrichtungen umgegangen wird. Die positiven Aspekte digitaler Medien in der Sprachentwicklung sind zum Beispiel die vielfältigen Kommunikationsmöglichkeiten. Führen wir uns in diesem Zusammenhang einmal die von dir angesprochenen Lern-Apps oder auch YouTube als Lernplattform für audio-visuelles Lernen vor Augen. Die Kinder können über diese Medien ihre Sprachentwicklung verbessern, indem sie mit Freund:innen interagieren, also Sprache praktisch anwenden. Dies betrifft auch das Erlernen neuer Sprachen. Es kann obendrein von einer Wortschatzerweiterung ausgegangen werden und auch im Hörverständnis wird sich geschult. Ich möchte an dieser Stelle darauf hinweisen, dass wir uns hier in der zweiten Hälfe, also dem fünften bis zehnten Lebensjahr der frühen Kindheit befinden. Geht es um den Schriftspracherwerb, dann sind Autokorrekturen im Gebrauch digitaler Medien nicht förderlich. Darüber hinaus kann es schnell zu negativen Beeinflussungen wie Slang kommen, der sich dann in der Sprache widerspiegelt. Grundlegend kann ich sagen, dass digitale Medien Kindern die Möglichkeit bieten, in sehr kurzer Zeit viel Input im Bildungsbereich „Sprache“ generieren zu können. Für die Nutzung ist es im Kitaalter angebracht, dass Eltern den Umgang regulieren.

NK: Aktuelle Studien zeigen, dass jedes vierte Kind in Deutschland am Ende der Grundschule Lese- und Schreibprobleme aufweist. Anfang Dezember 2023 wurden die Studien durch die OECD Ergebnisse der PISA-Erhebung 2022 und durch Untersuchungen des Instituts für Schulentwicklungsforschung (IFS) der TU Dortmund bekräftigt. In diesem Zusammenhang wird unter anderem der Trend genannt, dass Eltern nur selten ihren Kindern vorlesen. Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger merkt hierzu an, dass tägliches Vortragen für die Literalität essenziell sei. Welchen Wert hat regelmäßiges Vorlesen für die bildungssprachliche Entwicklung?

JD: Ein wichtiger Aspekt ist, dass durch Vorlesen zwischen Kindern und Eltern eine besondere Bindung entsteht, welche die bildungssprachliche Entwicklung positiv beeinflussen kann. Durch die Grundstimmung, die im Vorleseprozess erzeugt wird, können die Jüngsten Freude an Literatur entwickeln. Des Weiteren wird durch das Vorlesen die frühkindliche Fantasie angeregt, insbesondere indem sich die Kinder ihr eigenes Bild vom Inhalt des gesprochenen schaffen. Für Kinder stellt dies einen Mehrwert in der Entwicklung ihrer kognitiven Fähigkeiten dar. Obendrein können durch das Vorlesen Stimmungen, Gefühle, Freude und Trauer geteilt und verarbeitet werden, sodass davon ausgegangen werden kann, dass durch die auf diese Weise dargebotene Heranführung an verschriftliche Sprache Heranwachsende lernen sich emotional ausdrücken. Den Aspekt, dass Kindern durch elterliches Vorlesen Literatur näher gebracht wird und eine positive Assoziation zu Schrift und Sprache bei ihnen entstehen kann, halte ich für sehr wichtig.

NK: Warum sind pragmatisch-kommunikative Fähigkeiten für Vorschul- und Grundschulkinder Schlüsselkompetenzen?

JD: Nehmen wir beispielhaft das Hörverständnis. Dies ist eine Basiskompetenz und für Kinder in der Ausbildung von Lese- und Schreibfähigkeiten essenziell. Im Grunde sind die pragmatisch-kommunikativen Fähigkeiten Fundament für all das, was Kinder auf ihrem Bildungsweg erwartet. Eine gut ausgebildete Sprachkompetenz erweist sich für Kinder als sinnvoll, da sich Sprache als Medium versteht und in der Frühpädagogik als Tor zur Bildungswelt betrachtet wird.

NK: Wie können Kinder lernen vor einer Gruppe zu sprechen und ein Projekt zu präsentieren?

JD: Der Ansatz Kinder darin zu unterstützen vor einer Gruppe sprechen und präsentieren zu können ist sehr gut. Von meiner Arbeit an der Junior-Uni kann ich berichten, dass es sich für mich bewährt hat, fürs Erste eine Atmosphäre zu schaffen in der eine positive Feedbackkultur möglich ist. Außerdem sollte berücksichtigt werden, dass sich Heranwachsende für Präsentationen im Raum wohlfühlen müssen und daher sind Atmosphäre, Stimmung und Raumgestaltung in diesem Kontext von Bedeutung.
Ich habe gute Erfahrungen darin gesammelt, zuerst diejenigen vor einer Gruppe sprechen zu lassen, die es sich zutrauen. Von der Erzählfreude angeregt, trauen sich in der Regel auch die introvertierten Kinder. Der Ansatz sollte in Kitas gelebt werden – let’s do it.

NK: In Kindertagesstätten zählen Sprachregelungen zu probaten Mitteln, zum Beispiel im erziehungspartnerschaftlichen Austausch. Sprachregelungen gelten außerdem als positiv konnotierte Aussagen und sollen die Trägerakzeptanz bestärken sowie deeskalierend in Konflikten wirken. Wann sind Sprachregelungen angemessen?

JD: Sprachregelungen sind dann angemessen, wenn sie auf Grundlage von Leitlinien und konzeptionellen Verankerungen erfolgen. Für eine vertrauensvolle Arbeit und ein soziales Miteinander ist das sehr wichtig.

NK: Warum ist eine gute Unternehmenskommunikation für Träger mit Einrichtungen von Sozial- und Erziehungsberufen bedeutsam?

JD: Eine gute Unternehmenskommunikation ist unter anderem deshalb bedeutungsvoll, damit die innerbetrieblichen Zusammenhänge und Strukturen sozialpädagogischer Dienstleistungen für Kund:innen transparent werden. Träger sind heutzutage aufgefordert nach außen zu kommunizieren und das Einrichtungsleben sichtbar zu machen.

NK: Welchen Benefit hat der USP für Kitas?

JD: Alleinstellungsmerkmale haben in der Kommunikations- und Öffentlichkeitsarbeit von Kitas einen hohen Nutzen, da sich frühkindliche Bildungs- und Betreuungseinrichtungen konzeptionell unterscheiden und verschiedene Bildungsschwerpunkte anbieten. In gewisser Weise arbeiten Kitas auch zielgruppenorientiert und durch den USP, welcher am besten kurz und bündig verfasst wird, können Alleinstellungsmerkmale für Eltern transparent werden.

NK: Welche Rolle spielt das Bild von Erzieher:innen in der Öffentlichkeit für die kitainterne Kommunikation?

JD: Die kitainterne Kommunikation und damit ist in gewisser Weise auch die Trägerakzeptanz gemeint, wird vom gesellschaftlichen Bild beeinflusst. Oftmals entspricht das öffentliche Bild nicht der Realität und daher ist es umso wichtiger, dass Erzieher:innen qualitative Arbeitsprozesse sichtbar machen. Der Schlüssel liegt darin, eine professionelle Einrichtungskultur zu erschaffen und diese über verschiedene Wege nach außen zu kommunizieren. Auf diese Weise kann in der Öffentlichkeit ein Bild von Erzieher:innen entstehen, das der Wahrheit entspricht.

NK: Tür-und-Angel-Gespräche sind für Eltern und Kitapersonal nicht selten die einzige Möglichkeit zum Austausch. In Bring- und Abholzeiten finden sie häufig im Beisein von Kindern statt. Welche Risiken birgt das?

JD: Für Kinder kann es unangenehm sein, wenn in ihrem Beisein über sie gesprochen wird. In der Regel werden sie in Tür-und-Angel-Gesprächen von den Erwachsenen als Gesprächsobjekt betrachtet, im Speziellen dann, wenn eine Sprache gewählt wird, die bei Kindern den Eindruck erweckt, sie wären nicht anwesend. Für die Jüngsten kann dann ein schlechtes Gefühl entstehen, zum Beispiel weil sie sich ausgegrenzt fühlen. Trotz geringer Zeitslots im Alltag empfehle ich Erziehungsaustausche entweder mit Kindern, dann sollten sie aktiv in ein Gespräch einbezogen werden oder ohne ihre Anwesenheit zu führen. Mitarbeitende von Kitas aber auch Eltern sollten sich stets aufs neue die Frage stellen, welche Auswirkungen die eigene Kommunikation auf Kinder nimmt. In meinen Augen gebührt es Heranwachsenden vielmehr mit ihnen, als über sie zu sprechen.

NK: Was sollten Erziehungspartner:innen im Elterngespräch in puncto Kommunikation beachteten?

JD: Es sollte Einigkeit darüber bestehen, um welche Art von Gespräch es sich handelt. Pädagogisch halte ich viel davon die Stärken von Kindern deutlich zu benennen aber auch Herausforderungen oder gar Defizite sollten ohne Bewertung angesprochen werden. Elterngespräche sollten grundlegend ressourcenorientiert geführt werden. Im Weiteren ist es von Relevanz, dass Alltagsgeschehnisse beispielhaft aufgezeigt werden, vordergründig dann, wenn über Entwicklungsfortschritte gesprochen wird.

NK: Wodurch zeichnet sich eine gute Gesprächsführung aus?

JD: Eine gute Gesprächsführung zeichnet sich für mich dadurch aus, dass Eltern genügend Gesprächsraum ermöglicht wird. Daneben sollten Elterngespräche stets positiv begonnen, mit einem Lernziel für die Kinder versehen und optimistisch abgeschlossen werden.

NK: Was wird für Kinder betreffend ihrer Kommunikationskompetenz in der Bildungszukunft von Bedeutung sein?

JD: Für Kinder wird es insbesondere in der digitalen Bildungszukunft wichtig sein, die eigene Kommunikation zu reflektieren. Sie werden einmal mehr dazu angehalten sein, Aussage, Wirkungen und Botschaften, zum Beispiel eines Posts, kritisch zu überprüfen. Eine gute Kommunikationskompetenz erfordert eine gute Reflexionskompetenz.

NK: Vielen Dank für das Gespräch.

Interview als PDF

Frühkindliche Bildung trifft Sportwissenschaft, Oktober 2023

Im Gespräch mit Prof. Dr. Stephan Geisler

Prof. Dr. Stephan Geisler ist Sportwissenschaftler und Dekan des Fachbereichs „Fitness und Gesundheit“ sowie Vizepräsident für „Lehre und Forschung“ an der IST-Hochschule in Düsseldorf. Er ist Präsident der NSCA (National Strength and Conditioning Association) Germany und Gründer des Fitnesswissenschaftskongresses und des Fitnesswissenschaftsrats. Im Gespräch mit Nils Johannes Kubiak spricht er unter anderem über Supplementierung bei Kindern und erläutert, wie vegetarische Ernährung in Kitas gelingen kann.

Nils Kubiak: Herr Professor Geisler, welche Bedeutung messen Sie frühkindlichen Bildungs- und Betreuungseinrichtungen im Zusammenhang mit der Gesundheit und dem Wohlergehen von Kindern bei?
Stephan Geisler: Eine sehr hohe Bedeutung. Auch aus persönlicher Erfahrung kann ich sagen, dass es Kindern zugutekommt, wenn Sie in der Kita Sportangebote wahrnehmen. Meine Kinder haben die Bewegungsangebote ihres Kindergartens für sich erfolgreich nutzen können. Die positiven Auswirkungen waren erkennbar, was sich insbesondere daran zeigte, dass sie an Tagen der Inanspruchnahme von Sport- und Bewegungsangeboten ausgelastet und innerlich ausgeglichener waren.
NK: Eine Vielzahl von Kindern zwischen dem 4. bis 10. Lebensjahr nimmt mittlerweile Nahrungsergänzungsmittel sowie verschiedene Gesundheitsshakes zu sich. Die Eltern beabsichtigen Gutes. Was können Sie uns über Supplementierung bei Kindern sagen?
SG: Von Supplementierung bei Kindern halte ich recht wenig, es sei denn, diese ist medizinisch indiziert. Wird zum Beispiel durch eine ärztliche Untersuchung bei einem Kind ein Mangel festgestellt, dann ist Supplementierung sicherlich angebracht. Grundsätzlich wird mit Supplementierung bei Kindern viel Geld gemacht. Es ist bekannt, dass große Firmen im Ausland spezielle Kindermilch verkaufen und damit werben, dass diese besonders effektiv für die Kindesentwicklung und die Intelligenz sei. In der EU ist dies zum Glück durch gesetzliche Claims weitestgehend geregelt. Generell halte ich die von Ihnen angesprochen Entwicklung für keine gute.
NK: Immer mehr Kitas verzichten auf Fisch und Fleisch im Speiseplan. Was sollten wir beachten, wenn wir Kinder vegetarisch ernähren?
SG: Berücksichtigen sollten wir die ausreichende Versorgung von Proteinen, Mineralstoffen und Vitaminen. Man kann Kinder sehr gut vegetarisch und ausreichend mit Nährstoffen und Mineralstoffen versorgen. In Anbetracht der biologischen Wertigkeit sollte darauf geachtet werden, dass Proteine angemessen zusammengetragen werden. Einfache Beispiele für ausgewogene, vegetarische Kitagerichte sind „Bratkartoffeln mit Ei“ oder „Bohnen mit Mais“. Ich empfehle eine bewusst gestaltete Vorgehensweise.
NK: In der Frühpädagogik wird die Bewegungskompetenz von Kindern beobachtet und dokumentiert. Die Erzieher:innen nehmen in der täglichen Arbeit unweigerlich eine Vorbildfunktion für die Kinder ein. Müssen wir Kindern mehr Bewegung und insbesondere Freude an Bewegung vorleben?
SG: Die Vorbildfunktion, die Erzieher:innen für Kinder in der Bewegungserziehung einnehmen, kann ich definitiv bestätigen. Das tägliche Leben zeigt uns, dass Kinder sehr viel von Vorbildern annehmen und deswegen sollten sowohl Eltern als auch in der Schul- und Kitaerziehung tätige, gute Vorbilder im Sinne der Bewegung für Kinder sein. Dies ist ein ganz wichtiger Punkt.
NK: Mit dem Ziel der Betreuungssicherung in den Kindertagesstätten in Nordrhein- Westfalen hat das Ministerium für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration den Einsatz von Sportpädagog:innen, Motopäd:innen und weiteren Fachkräften aus der Sport- und Gesundheitsbranche in der Personalverordnung ermöglicht. Was halten Sie von dieser Entscheidung und können Kitas infolgedessen mehr Qualität in der Umsetzung der Bildungsgrundsätze „Bewegung“ und „Körper, Gesundheit und Ernährung“ erwarten?
SG: Generell halte ich es für eine gute Idee, Sportpädagog:innen und Motopäd:innen in Kitas einzusetzen. Ich wage jedoch zu bezweifeln, dass dies großflächig umsetzbar ist. Befürworten würde ich es. Auch die landespolitische Überlegung, mehr Lehrer:innen einzustellen, die gegebenenfalls nur ein Fach studiert haben, könnte sich als sinnvoll erweisen. Zum Beispiel könnten Diplom-Sportlehrer:innen in Schulen eingestellt werden. Eine genaue Einschätzung darüber, ob Kitas in Folge der Einstellung von Fachleuten aus der Sportbranche mehr Qualität in der Umsetzung der von Ihnen genannten Bildungsgrundsätze erwarten können, kann ich zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht vornehmen.
NK: Wie bewerten Sie den Ansatz, Kinderfitness und Yoga konzeptionell in Kitas anzubieten und diesen im Bildungsplan von Trägern zu verankern?
SG: Den Ansatz Kinderfitness und Yoga in Kitas anzubieten finde ich sehr gut. Das ist eine tolle Idee. Der Ansatz sollte Schule machen.
NK: In der frühkindlichen Bildung gilt: „Toben macht schlau!“ Was sagt die Sportwissenschaft dazu?
SG: Dass toben schlau macht, kann ich bekräftigen. Wir wissen mittlerweile, dass es einen großen Zusammenhang zwischen körperlicher Bewegung und kognitiven Funktionen gibt. An dieser Stelle können sie gerne folgendes Fitnessprofessor-Video verlinken:
https://www.youtube.com/watch?v=KdriNp5I0go
Im Video erläutere ich genauere Hintergründe. Von kognitiver Gesundheit, im Zusammenwirken mit körperlicher Bewegung, halte ich sehr viel.
NK: Virtual Reality sprengt analoge Grenzen. Wie attraktiv sind digitale Sport- und Bewegungsangebote für Kinder?
SG: Digitale Sport- und Bewegungsangebote für Kinder werden immer attraktiver. Die Angebote, die Schritt für Schritt auf den Markt kommen, sind sehr gut und alle Mal besser, als nur zu konsumieren und sich dabei nicht zu bewegen. Virtual Reality eignet sich jedoch wenig bis gar nicht für vier- bis sechsjährige Kinder. Es empfiehlt sich der Gebrauch ab dem 10. bis 12. Lebensjahr.
NK: Angenommen, Sportwissenschaft und Frühpädagogik würden enger zusammenarbeiten. Was würde sich verändern?
SG: Eine engere Zusammenarbeit von Sportwissenschaft und Frühpädagogik würde dazu führen, dass sich alle Beteiligten mehr bewegen und die Kinder zufriedener sind.
NK: Vielen Dank für das Gespräch!

Quellenangabe:
Bilddatei / Foto von Prof. Dr. Stephan Geisler (2022). Abgerufen am 10.08.2023 von https:// de.wikipedia.org/wiki/Stephan_Geisler_(Sportwissenschaftler)#/media/Datei:Stephan_Geisler.jpg .

Interview als PDF

Herausforderungen frühkindlicher Bildungs- und Betreuungseinrichtungen, August 2023
Prof.in Dr.in Sabine Skalla hat in Erziehungswissenschaften promoviert und war 17 Jahre Kitaleiterin einer inklusiven Kindertageseinrichtung. Sie ist Vizepräsidentin der DIPLOMA Hochschule und Leiterin des Fachbereichs „Soziales und Pädagogik“. Darüber hinaus ist sie Studiendekanin der Bachelor-Studiengänge „Frühpädagogik – Leitung und Management in der frühkindlichen Bildung“ (B.A.) und „Kindheitspädagogik“ (B.A.) sowie Autorin und Herausgeberin verschiedener Fachbücher. Mit Nils Johannes Kubiak spricht sie über die Folgen der bundesweiten Schließung von Kindertageseinrichtungen in der Corona-Pandemie und erläutert vom Blickpunkt der Wissenschaft, welche Ziele für frühkindliche Bildungs- und Betreuungseinrichtungen bis 2030 erreicht werden müssen.

Nils Kubiak: Frau Professorin Skalla, am 01.08.2023 ist das Kindergartenjahr 2023/2024 gestartet. Nach der Corona-Pandemie ist dies das erste neue Kita-Jahr in der Zeit nach der Pandemie. Wie haben Sie die vergangen Jahre aus Sicht der frühkindlichen Bildung erlebt?
Sabine Skalla: Ich habe die Zeit als eine sehr dramatische erlebt. Es war falsch, die Kitas zu schließen, was mittlerweile auch der Gesundheitsminister zugestanden hat. Die Vielzahl von Studien, die veröffentlicht wurden, haben gezeigt, dass die Rückstände, die Kinder durch die Schließung erfahren mussten, wahrscheinlich nicht mehr aufzuholen sind. Dies betrifft insbesondere Kinder aus bildungsfernen Haushalten. Die Kitas haben ihr Bestes gegeben und versucht, während der Schließung mit den Familien Kontakt zu halten, aber die soziale Isolation, die Kinder zum Teil erleben mussten, wurde letzten Endes zu einem großen Problem. Die Situation, allein zu sein, niemanden treffen zu können und auf diese Weise sozial isoliert zu sein, hat für die Kinder gravierende Folgen auf der Sozial- und Bildungsebene hinterlassen.
NK: Gibt es Erkenntnisse, die wir aus der Zeit der Pandemie mitnehmen können, damit Gegenwarts- und Zukunftsgestaltung zum besseren Wohl von Kindern, Familien und Mitarbeiter:innen in Kitas gelingen kann?
SK: Die bundesweite Schließung von Kitas war kontraproduktiv für jeden Bildungsfortschritt und gleichwohl für das soziale Beieinandersein. Dazu gibt es mittlerweile viel Forschung und auch Kita-Studien, die dies belegen. Meine Studierenden haben zum Teil ihre Bachelorarbeiten zu diesem Thema geschrieben und die Auswirkungen der Corona-Pandemie untersucht.
NK: Kita und die Herausforderungen, vor die frühkindliche Bildungs- und Betreuungseinrichtungen gestellt sind, werden seit der Pandemie täglich in den Schlagzeilen verschiedenster Nachrichtenmedien angeführt. Wie bewerten Sie diese neue Präsenz?
SK: Aus meiner Sicht gibt es keine Steigerung der Präsenz von Kita in der Presse. Die Berichterstattung bedingt sich, zum Beispiel dann, wenn neue Gesetze in Kraft treten, die Kitas betreffen. In den Medien war es zweifelsohne ein großes Thema als die Kita-Studien publiziert wurden, die gezeigt haben, dass die Schließungen unangebracht waren. Es gab in der Vergangenheit immer mal wieder eine erhöhte Präsenz von Kita in der Öffentlichkeit, zum Beispiel beim Krippenausbau, zu Zeiten von Streiks und auch beim Tagesstättenausbau. Im Zusammenhang mit dem „Gute-KiTa-Gesetz“ erfolgte außerdem eine wahrnehmbare Repräsentanz und aktuell ist es die Familienministerin Frau Paus, die in den Medien beim Thema „Kindergrundsicherung“ Bedarfe von Kindern in den Mittelpunkt der Debatte bringt. Die Präsenz hier ist offensichtlich und berührt indirekt auch Kitas.
NK: Kann eine kontinuierlich erfolgende Präsenz von Kita in den Medien dazu beitragen, dass Kita endlich als die Bildungsinvestition wahrgenommen wird, die in der Regel eintritt, wenn ein Kind eine institutionelle Fremdbetreuung erfahren darf?
SK: Das ist eigentlich keine neue Information, denn Forscher:innen haben bereits vor 20 Jahren festgestellt und darauf hingewiesen, dass, wenn in die frühkindliche Bildung investieren würde, es einen hohen Mehrwert für die Gesellschaft gibt. Wirtschaftliche Studien haben dies bestätigt. Es lässt sich festhalten, dass gute Bildungschancen in der Regel zu höher dotierten Berufen führen und auch für die eigene Rente kann besser gesorgt werden. Der volkswirtschaftliche Nutzen ist zweifelsfrei zu erkennen. Daneben gibt es Studien, die zeigen, dass eine gute Kita- und Krippenbetreuung, die in Deutschland leider nicht überall gewährleistet ist, institutionell auffangen kann, was für Familien manchmal nicht möglich ist. Daher arbeiten wir in Kitas familienergänzend.
NK: In den vergangenen Jahren wurde in den Ausbau der Kindertagesbetreuung für Kinder unter drei Jahren investiert. Welche Bedeutung messen Sie dem U3-Ausbau bei, vornehmlich im Zusammenhang mit krippenpädagogischen Bildungsprozessen?
SK: Das ist ein problematischer Bereich. In Deutschland gibt es in den einzelnen Bundesländern sehr unterschiedliche Betreuungsschlüssel. Wir Wissenschaftler:innen empfehlen einen Betreuungsschlüssel von 1 : 3 in der krippenpädagogischen Betreuung. Das gibt es bundesweit praktisch kaum. Die Rahmenbedingungen in den einzelnen Bundesländern sind teilweise derart schlecht, dass guten Gewissens nicht von einer angemessenen Qualität in der Krippenbetreuung gesprochen werden kann. Es ist bitter, sagen zu müssen, dass die Qualität in den Krippen die festgelegten Standards in den meisten Fällen nicht erreicht. Hintergrund dessen ist, dass nicht in die Qualität, sondern in die Quantität investiert wurde. Durch das „Gute-KiTa-Gesetz! wurden Verbesserungen erzielt, dennoch fehlen flächendeckend Fachkräfte. Eine Kritik dieser Handlungen ist meiner Auffassung nach sehr angebracht. Jetzt muss es qualitative Fortschritte geben und ein guter Personalschlüssel allein, reicht dafür nicht aus. Das Personal in Kitas muss gut qualifiziert werden und dies kann einzig über die Ausbildung, durch Weiterqualifikation und mittels Studium, wie wir es an der DIPLOMA Hochschule anbieten, erfolgen. Es ist eben ein Zusammenspiel unterschiedlicher Faktoren.
NK: Vorschulkinder bereiten sich auf die Zukunft vor, indem sie die Gegenwart gestalten. Warum sind frühpädagogische Bildungsangebote im Vorschuljahr wichtig?
SK: Prinzipiell sind keine speziellen Vorschulangebote oder gar besondere Programme für Vorschulkinder notwendig. Ein Kind im Waldkindergarten benötigt kein spezielles Vorschulprogramm. Üblicherweise wird es auch ohne jenes schulfähig. Vorschulkinder benötigen Explorationsmöglichkeiten. Sie benötigen Platz und Zeit für Rollenspiele. Naturerfahrungen müssen für sie greifbar sein und auch Platz für ausreichende Bewegungsangebote sollte vorhanden sein. Vorschulkinder müssen auch mal irgendwo herunterspringen oder gar herunterfallen dürfen. Möglichkeiten zum kindlichen Ausdruck, zum Beispiel über Musik oder Kunst, sollten für sie angeboten werden. Der Raum und die Zeit für frühkindliche Erfahrungen sollte vielfältig gegeben sein. Spezielle Programme benötigt es dafür nicht. Aus Sicht der frühkindlichen Bildung kann gesagt werden, dass sich Kinder im Alltag ganzheitlich ausprobieren sollten und es nicht notwendig ist, dass Themen aus dem Schulkontext vorverlegt werden müssten.
NK: Die Professionalisierung von Kindertagesstätten hat dazu geführt, dass Kitas als sozialpädagogische Dienstleister:innen wahrgenommen werden. In diesem Kontext wird der Erziehungspartnerschaft eine hohe Bedeutung beimessen. Können Familien in diesem Verhältnis als Kund:innen betrachtet werden?
SK: Mitarbeiter:innen in Kitas sprechen nur ungern von Kund:innen. In der Arbeit mit Eltern hat sich ein großer Wandel vollzogen und der Begriff „Erziehungspartnerschaft“ ist in diesem Zusammenhang angemessen. Wo früher Eltern noch mit Ansagen begegnet wurde und man sie stets außen vorließ, werden sie heute vielmehr in das institutionelle Handeln integriert. Die elterliche Instanz ist der erste Ansprechpartner für Erziehungsfragen und daher ist der Austausch mit Eltern bedeutsam. In meiner Zeit, in der ich unter anderem 17 Jahre als Kitaleiterin tätig war, habe ich immer mal wieder erlebt, wie teilweise mit Eltern gearbeitet wurde und ich kann heute guten Gewissens sagen, dass sich die Elternarbeit in Kitas auf einem guten Weg befindet.
NK: „Kita goes digital!. Eine Vielzahl von Kindertageseinrichtungen ermöglichen Kindern das Lernen und Forschen mit Tablets und neuen Medien. Wie erfolgversprechend sind
diese Angebote und welchen Einfluss nehmen sie auf die Selbstbildungsprozesse von Kindern?
SK: Kinder von Tablets und Smartphones fernzuhalten, ist praktisch unmöglich, denn auch die Eltern verbringen für gewöhnlich viel Zeit mit digitalen Medien. Es wäre schön, Kinder so lange wie möglich davon fern halten zu können, aber wenn sie sich ein gewisses Wissen auf diese Weise aneignen wollen, warum nicht. In den Kindergartenalltag können digitale Erfahrungen integriert werden, jedoch halte ich es für notwendig, dass die Mitarbeiter:innen zu dieser Thematik adäquat fortgebildet werden.
NK: Noch immer gibt es in der frühkindlichen Bildung Kritik an unzureichender Zusammenarbeit zwischen Kita und Grundschule, insbesondere im Rahmen der Transitionsarbeit. Was würde sich verändern, wenn beide Institutionen enger zusammenarbeiten würden?
SK: Eine engere Zusammenarbeit wäre tatsächlich sinnvoll. Beide Institutionen würden ein größeres Verständnis für einander erlangen können. Die Institution Kita hat grundsätzlich mehr Freiräume in der pädagogischen Arbeit und zum Teil auch schönere Räumlichkeiten (lacht). Für Kitas ist es wichtig, erkennen zu können, was Schule den Kindern bieten kann. Man kann sich einander sicherlich immer etwas Wertvolles abgucken. Mittlerweile werden in vielen Grundschulen reformpädagogische Ansätze umgesetzt und auch offener Unterricht ist möglich. In der methodischen Grundschularbeit hat ein großer Wandel stattgefunden, beispielsweise indem sich die Kinder während des Unterrichts mehr bewegen dürfen und zur Zusammenarbeit untereinander nicht mehr in Reihen hintereinander, sondern an Gruppentischen in Kleingruppen zusammen gesessen wird. Dass die beiden Institutionen sich gegenseitig Einblicke verschaffen sollten, halte ich für sehr sinnvoll.
NK: Im Normalfall sind Eltern in der Betreuungsplatzsuche dazu angehalten, den Kitaplatz anzunehmen, der ihnen angeboten wird. Warum ist es für Eltern dennoch wichtig, dass sie die Möglichkeit haben, zwischen verschiedenen konzeptionellen Ansätzen und pädagogischen Ausrichtungen eine Kita für ihr Kind auswählen?
SK: Eltern wollen das Beste für Ihr Kind, davon ist auszugehen. In der Praxis zeigt sich die Betreuungsplatzsuche sehr unterschiedlich und hängt in erster Linie davon ab, wo eine Familie wohnt. In diesem Bezug sind die Kriterien „Nähe zum Wohnt“ und „Nähe zum Arbeitsplatz“ für Familien relevant. Ob das Kriterium des Kita-Konzeptes primär ausschlaggebend für die Kitawahl ist, sei einmal dahingestellt. Unzweifelhaft gibt es in ländlichen Regionen für Eltern keine große Auswahlmöglichkeit. In Städten zeigt sich ein anderes Bild. Hier haben Familien zumindest die theoretische Wahlmöglichkeit, zwischen unterschiedlichen Konzeptionen eine Kita für ihr Kind auswählen zu können. Manchmal hören Familien auch auf Spielplätzen von einer beliebten Einrichtung und versuchen infolgedessen, dort einen Platz für ihr Kind zu bekommen. Der Hauptmotivator in der Entscheidung der Kitawahl ist meines Erachtens bei den meisten Familien nicht die Konzeption.
NK: Mit einer Image- und Personalgewinnungskampagne will die Landesregierung in NRW im Kita-Jahr 2023/2024 Zielgruppen, wie zum Beispiel Männer und Menschen mit Einwanderungsgeschichte für die Arbeit in Sozial- und Erziehungsberufen ansprechen. Ziel der Kampagne ist, weitere Unterstützung für die Kitas gewinnen zu können. Was muss Ihrer Auffassung nach getan werden, damit sich ein mittel- bis langfristiger Erfolg einstellen kann?
SK: Man kann man sich auch freuen, dass es noch Frauendomänen gibt (lacht), aber das ist nicht meine Antwort. Aus meiner Sicht werden hier zwei Themen vermischt. Einmal ist es Migration, über die wir auch versuchen können, in die Ausbildung zu investieren und der andere Punkt ist die Personalgewinnung. Das Wichtigste ist aber, dass wir für die Ausbildung keine Schmalspurprogramme initiieren. Dies gilt es vom Blickpunkt der Wissenschaft zu vermeiden, denn wir wollen nicht, dass es irgendwann eine Qualitätsminderung gibt, welche bedeuten würde, dass wir Quereinsteiger:innen in den Kitas arbeiten lassen, legitimiert durch vierwöchige Kurse oder schnell erlangter Zertifikatskurse. Das kann nicht im Sinne der Kinder und auch für die Gesellschaft nicht gut sein. Gleichwohl möchte ich betonen, dass wir die Chancen, die wir durch Migration und insbesondere durch Zuwanderung für die Fachkräftegewinnung gegeben sehen, erkennen und nutzen sollten. Mehr Menschen in die Kitas zu bekommen, Frauen wie Männer, muss weiterhin ein Ziel in der frühkindlichen Bildung sein. Man kann auch über Lohnanhebung sprechen, aber da hat sich in den vergangenen Jahren bereits einiges verbessert. Die Tarife sind nicht mehr so schlecht, wie sie es mal waren. Die Ausstattungen und Arbeitsbedingungen in den Kitas sind jedoch alles andere als angemessen und wir haben zu wenig Zeit ohne Kinder, in der sich sinnigerweise über die Kinder ausgetauscht, fort- und weitergebildet würde. Es muss auch möglich sein, nach seinem eigenen Gesundheitsgefühl arbeiten zu können, sodass auch bis zur Rente durchhalten werden kann. In der Regel ist die Arbeit in der Kita oftmals laut und anstrengend zugleich, denn Erzieher:innen sind in der Arbeit in der Kindergruppe einem hohen Geräuschpegel ausgesetzt. Für die Verarbeitung dessen benötigen wir gute Voraussetzungen, zum Beispiel einen verpflichtenden Lärmschutz. Betreffend der Generierung von Männern lässt sich festhalten, dass eine Lohnanhebung vielleicht eine Verbesserung herbeiführen könnte.
NK: Für Erzieher:innen ist es noch immer schwierig, sich neben dem Beruf fort- und weiterzubilden. In diesem Zusammenhang gibt es viel Kritik am noch mangelnden Angebot, insbesondere betreffend hybrider Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen. Warum ist Weiterbildung in der Frühpädagogik wichtig und welche Ausblicke können Sie in puncto neuer Angebote geben?
SK: Für hybride Lehrveranstaltungen ist eine gute Technik Grundvoraussetzung, denn es ist wichtig, dass die Teilnehmer:innen gleichberechtigt arbeiten können. Dazu gibt es sehr gute Konferenzsysteme, zum Beispiel Owl Labs, welches sich für hybride Meetings eignet. Eine gute Zusammenarbeit in hybriden Settings erreicht man auch über den Einsatz mehrerer Kameras, um gut zusammenarbeiten zu können. Das Arbeiten mit Zoom und anderen Konferenzsystemen hat sich auch für hybride Zusammenkünfte als geeignet erwiesen. Der Gleichberechtigungsaspekt in der digitalen Arbeit ist für mich sehr bedeutsam, vorwiegend in der Interaktionen zwischen Studierenden, Lehrenden und Weiterbildner:innen. Durch die Corana-Pandemie ist ein Digitalisierungsschub erfolgt, der auch den Kitasektor beeinflusst hat. Fortbildungen können heute bundesweit und virtuell stattfinden. Selbst die Arbeitsämter haben mittlerweile bundesweit Qualifikationskurse und Weiterbildungskurse in digitaler Form aufgelegt. Weiterqualifizierung ist tatsächlich ein ganz wichtiger Punkt in der Frühpädagogik. Für den Kitabereich gibt es aus meiner Sicht seit der Pandemie eine noch größere Vielzahl von Möglichkeiten, sich fort- und weiterzubilden. Diese Möglichkeiten müssen Mitarbeiter:innen wahrnehmen können. Es ist Aufgabe von Kitaleiter:innen zur Fort- und Weiterbildung zu motivieren, damit Weiterqualifikation erreichbar ist. Ich erlebe des Öfteren, dass Personal in Kitas Fortbildungen buchen, dann aber nicht teilnehmen, da in den Einrichtungen Personalmangel besteht. Das darf in meinen Augen nicht geschehen. Es muss Prio 1 sein, dass die gebuchten Fortbildungen besucht werden können. Selbstverständlich weiß ich um die Herausforderungen des Personal- und Fachkräftemangels, welcher auch dazu führt, dass viele Kitaleiter:innen großem Druck im Alltag ausgesetzt sind und bedingt dadurch Fort- und Weiterbildung nicht ermöglichen. Die Kitaleiter:innen müssen meiner Meinung nach dennoch dafür Sorge tragen, dass Fort- und Weiterbildung in ihren Einrichtungen funktionieren kann. Dieser Aufgabe wird bisher noch zu wenig nachkommen, daran krankt es meines Erachtens in erster Linie.
NK: Neben den Kita-Helfer:innen, welche für 2023 abgesichert sind und für die eine langfristige Fortsetzung des Programms beschlossen wurde, sollen in NRW, mit dem Ziel der Betreuungssicherung, zusätzliche, multiprofessionelle Fachkräfte, zum Beispiel Sport- und Medienpädagog:innen in der Betreuung eingesetzt werden. Was halten Sie von diesem Ansatz und können Kitas infolgedessen mehr Qualität in der Umsetzung der Bildungsgrundsätze „Bewegung“ und „Körper, Gesundheit und Ernährung“ erwarten?
SK: Gegen multiprofessionelle Teams spricht meiner Meinung nach nichts. Auch hierzu gibt es eine Vielzahl von Studien, die zeigen, dass multiprofessionelle Teams eine Bereicherung für Kitas sein können. Wenn beispielsweise eine Kunstpädagogin in einer Einrichtung arbeitet, kann das für die pädagogische Arbeit und die Kinder ein großer Gewinn sein. Voraussetzung dafür ist, dass sie in der Bildungs- und Betreuungsarbeit vollständig integriert ist. Kontraproduktiv in der Umsetzung wäre eher, wenn zum Beispiel ein Sportpädagoge einmal wöchentlich in die Einrichtung käme und für eine Zeitstunde eine Bewegungsaktivität für die Kinder anböte. Die Integration von Quereinsteiger:innen kann nur dann gelingen, wenn diese angemessen ausgebildet und für die frühpädagogische Arbeit qualifiziert werden. Quereinsteiger:innen hauptverantwortlich in der Betreuung einzusetzen, würde schnell zu Überforderung führen und dient nicht der Qualität im Arbeitsprozess. Für den von Ihnen erwähnten Ansatz sind gute Qualifizierungsmaßnahmen notwendig.
NK: Welche Faktoren sind für Sie essenziell, damit sich Kindertagesstätten zu einem nachhaltigen Lebensraum für Familien und Mitarbeitende entwickeln können?
SK: Kitas in naturnahen Lebensräumen zu errichten, ist ein guter Ansatz. Das Außengelände von Kitas sollte stets vielfältig und u.a. mit Natur-Materialien bestückt sein. Es sollten im Außengelände nicht nur Schaufeln und Sandspielzeug vorhanden sein, vielmehr sollten Waagen, Messbecher, Wasserspielmöglichkeiten und Bewegungsangebote mit Bewegungsbaustellenelementen für die Kinder zugänglich sein. Nachhaltig bedeutet für mich auch, dass ressourcenschonend mit Materialien umgegangen wird. Darüber hinaus sollten natürliche Baustoffe in Kitas verwendet werden und auf schädliche Farben sollte tunlichst verzichtet werden. Zudem muss nicht immer aus Katalogen bestellt werden, auch über alternative Beschaffungswege sowie örtliche Tischler, Zimmerer oder Steinmetze lohnt es sich nachzudenken.
NK: Welche drei Ziele müssen aus Sicht der frühkindlichen Bildung bis 2030 in den bundesweiten Kitas erreicht werden?
SK: Es muss dafür gesorgt werden, dass die Qualität in den Kitas gesteigert wird. Das Personal muss adäquat qualifiziert werden und in der Politik sollte man sich an den wissenschaftlichen Vorgaben orientieren, zum Beispiel betreffend des Betreuungsschlüssels. Die allgemeinen Rahmenbedingungen sollten sich verbessern, was bedeutet, dass Freistellungszeiten ohne die Arbeit am Kind für Mitarbeiter:innen möglich sind. Das ist sehr wichtig, denn sinnvollerweise kann sich dann über die Kinder besser ausgetauscht werden und Zeit für Teamsitzungen und Weiterbildung wäre somit dann möglich. Die Wissenschaftler:innen aus der frühkindlichen Bildung sollten bei Politiker:innen Gehör finden, mit dem, was sie untersuchen, worauf sie verweisen und was es in ihren Augen für die Kitas zu optimieren gilt. Den Weiterqualifizierungsaspekt halte ich für den Wichtigsten.
NK: Vielen Dank für dieses Interview!

Quellenangabe:
Bilddatei / Foto von Prof.in Dr.in Sabine Skalla (2023). Abgerufen am 25.08.2023 von https:// www.science.de/user/66 .

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Musikalische Frühförderung im Waldorfkindergarten, April 2023

Christof Bartels ist Waldorflehrer, Dipl. Eurythmist, Sozialpädagoge und Musiklehrer.
Im folgenden Interview mit unserem Redakteur Nils Kubiak spricht er unter anderem
darüber, wieso das Musikinstrument „Harfe“ in Waldorfkindergärten geschätzt wird
und erläutert ferner, warum er für Kindergartenkinder die Musikalität im Alltag der
Musikschule vorzieht.

Nils Kubiak: Lieber Christof, ich freue mich, dass du dir Zeit für ein Interview ge-
nommen hast.
Christof Bartels: Gerne. Ich bin gespannt, welche Fragen du mitgebracht hast.
NK: In den musikpädagogischen Fortbildungen, welche du für Waldorfkindergärten
anbietest, findet die „Harfe“ stets großen Anklang. Wieso ist dieses Musikinstrument,
insbesondere in Waldorfkindergärten, überaus beliebt?
CB: Ich denke, es hat mit dem Ursprung zu tun. Im Allgemeinen ist die Harfe einfach
ein schönes Melodieinstrument und eben pentatonisch gestimmt. Für die Altersgrup-
pe im Kindergarten ist sie eine schöne Unterstützung für das Singen. Das Harfenin-
strument an sich ist ein Saiteninstrument und die Kinderharfe wirkt in der Körpermit-
te, sozusagen zwischen Kopf und Gliedmaßen. Im Kopf wirkt eher die Flöte und in
den Gliedmaßen eher das Xylofon oder die Trommel. Auf der Gefühlsebene ist die
Harfe also in der Atmung spürbar. Des Weiteren ist die Harfe sowohl für Erzieher:in-
nen als auch für Kinder von der Handhabung leicht zu spielen.
NK: Also ist für die Kinder, zum Beispiel beim Gebrauch der Harfe im Märchenkreis,
eine Wirkung im Bereich ihrer Sinneswahrnehmung spürbar?
CB: Ganz genau.
NK: Was passiert bei den Kindern genau?
CB: Man kann sagen, dass eine Verlebendigung des Wortes in der Geschichte ent-
steht. Im Grunde genommen hat das Benutzen einer Harfe im Märchenkreis zweier-
lei Auswirkung auf die Kinder. Zum einen wird das Gehör, also die auditive Wahr-
nehmung der Kinder angeregt und gefördert, denn, wie wir alle wissen, benötigen
unsere Sinne Futter, um sich gesund entwickeln zu können. Zum anderen findet hier
eine Vertiefung im Erleben statt, also eine Verbindung der Sinneswahrnehmung mit
dem Gefühl.
NK: Wenn ich die Melodie einer Harfe höre, denke ich automatisch an China oder
Asien. Wie komme ich zu dieser Assoziation?
CB: Ganz einfach, weil die Harfe pentatonisch gestimmt ist und die Pentatonik ur-
sprünglich aus dem chinesischen Kulturkreis stammt. Das findet dort noch bis heute
statt und das schon seit Jahrtausenden vor Christus. Daher kennen wir es.
NK: Und welche Bedeutung hat die Pentatonik für Kinder?
CB: Durch die pentatonische Melodie schaffe ich Bilder von Schönheit. Man kann
auch sagen, eine „heile“ Welt. Daher auch die Melodien in Quintenstimmung.
NK: Kannst du das genauer erläutern?
CB: Eine pentatonische Melodie entspricht dem Bewusstseinszustand des Kindes
bis zum siebten Lebensjahr. Im Bild erklärt bedeutet das, wenn ein Instrument quin-
tenrein ist und somit eine Quintenstimmung entsteht, entspricht das dem Tageslauf
der Sonne. Die diatonische Melodie, welche ein zielgerichtetes System ist, wäre
dann beispielsweise die Uhr. Im Kindergarten wollen wir den Kindern bekanntlich
nicht unbedingt das Lesen der Uhr beibringen. Das kommt später. Das ist Schule.
NK: Würdest du sagen, dass die Förderung der musikalischen Kompetenzen von
Kindern in Waldorfkindergärten in der Regel angemessen ist und zugleich ausrei-
chend erfolgt?
CB: Ja, denn hier erfährt das Kind Musikalität im Alltag. Entscheidend ist zunächst,
die Musikalität an sich wahrzunehmen und zu erleben. Wenn das im Kindergartenall-
tag möglich ist, ist es genau die Qualität, die Kinder heutzutage benötigen.
NK: Ist es dann notwendig, dass Kinder aus Waldorfkindergärten eine Musikschule
besuchen?
CB: Wenn ich wählen müsste, zwischen der oben beschriebene Musikalität im Alltag
und der Musikschule, würde ich den Waldorfkindergarten vorziehen. In Waldorfkin-
dergärten erfahren die Kinder Sinneswahrnehmungsförderung, insbesondere in Be-
zug auf Musikalität, ganzheitlich, im Alltag und als Lebensgefühl. Für Kinder ist es
primär wichtig, Freude zu haben, bei all dem, was sie tun. Man kann also festgehal-
ten, dass die Grundlage für Musikalität im Waldorfkindergarten gelegt wird. Als Musi-
ker würde ich es so sehen, dass der Besuch einer Musikschule dann nicht zwingend
notwendig ist. Kann, muss aber nicht!
NK: Im Schulalltag der Waldorfschulen wird der Musik ebenfalls eine zentrale Bedeu-
tung beigemessen. Denkst du, dass dies in Zeiten von Leistungsdruck und weiterer,
gegenwärtig lebendiger Herausforderungen für Kinder angemessen ist?
CB: Auf jeden Fall. Gerade in diesen Zeiten ist es eine ganz wichtige Qualität, die
Kinder dort genießen dürfen. Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang außerdem,
dass sich der Schulalltag an anderen Schulen in den vergangenen zwanzig Jahren
stetig in Richtung einer Waldorfschule entwickelt hat. Das hat ganz einfach etwas mit
einer gesunden Entwicklung und wissenschaftlichen Erkenntnissen zu tun.
NK: Also genau wie es im Sektor der frühkindlichen Bildungs- und Betreuungsein-
richtungen auch der Fall ist?
CB: Ja, richtig. Ganz genau!
NK: In den vergangenen Jahren ist mir in meiner Arbeit als Kindheitspädagoge und
Autor häufig zu Ohren gekommen, dass, wenn es um das Erleben von Musikinstru-
menten geht, explizit von „begabt“ und „unbegabt“ gesprochen wird. Was ist richtig?
CB: Beides ist richtig. Es gibt Begabungen, die individuell geprägt sind.
NK: Dann bedeutet für dich der populäre Satz „Jedem Kind ein Instrument“ was ge-
nau?
CB: „Jedem Kind ein Instrument“ oder besser gesagt „Jedem Kind sein Instrument“
ist ein sehr guter und ich betone, Ansatz. Doch fürs Erste benötigen Kinder Gelegen-
heiten und Beispiele, damit sie sich musikalisch ausprobieren können. Ich denke,
dass es dazu notwendig ist, Kindern möglichst viele Instrumente anbieten zu können,
sodass sie für sich erste Grunderfahrungen bilden können.
NK: Ab welchem Alter ist es ratsam, dass Kinder beginnen, ein Instrument zu erler-
nen?
CB: Der Beginn sollte zunächst einmal spielerisch sein. Je kleiner und je früher, des-
to besser. Anders gesagt: Wenn ein dreijähriges Kind auf dem Klavier „spielt“, muss
es noch lange keine Tonleiterübungen machen. Wenn also ein spielerischer Anfang
gemacht ist, welcher in Waldorfkindergärten in der Regel erfolgt, sollte der Impuls bis
zum Schulalter stets vom Kind ausgehen. Dies kann allerdings schon sehr früh der
Fall sein. Sind die Eltern beispielsweise Musiker:innen und das Kind möchte im Kin-
dergartenalter damit beginnen, ein Instrument zu spielen, dann ist das so. Das „Wie“
ist entscheidend. Spielerisch.
NK: Welche Möglichkeiten haben Familien einem Kind Interesse am Erlernen eines
Instrumentes zu vermitteln, insbesondere dann, wenn sie selbst kein Instrument spie-
len und zur Musik keine spezielle Affinität besitzen?
CB: Sie können sich zum Beispiel im Kulturbetrieb kundig machen. Im Ruhrgebiet
gibt es viele Familienkonzerte, zum Beispiel das „Domicil“ in Dortmund. Ferner gibt
es auch eine Vielzahl von Kinderkonzerten und diverse Opern. Das ist eine Möglich-
keit. Eine andere wäre es, zu Hause einfach mal eine „echte“ Schallplatte aufzule-
gen, natürlich nur dann, wenn es das häusliche Musikequipment hergibt. Ein Beispiel
dafür wäre „Peter und der Wolf“, mit passendem Booklet. Es gibt auch adäquate Bil-
derbücher, welche musikalisch hinterlegt sind. Man kann auch ein Glockenspiel oder
die thematisierte Kinderharfe anschaffen. Die Kinder können dann auf der Harfe ein-
fach mal mit den Fingern streichen. Das Vorspiel eignet sich übrigens auch für Kinder
unter einem Jahr, zum Beispiel zum Einschlafen. Das funktioniert. Garantiert!
NK: Kann Musik aus Film und Fernsehen oder aus dem Radio auch eine Form musi-
kalischer Frühförderung für Kinder sein?
CB: Nein. Musikalische Frühförderung hat immer etwas mit dem eigenen Ausprobie-
ren zu tun.
NK: Also „Greifen und Begreifen“ oder „Fassen und Erfassen“, wie es Professorin
Zimmer und Professor Spitzer nennen?
CB: Ganz genau. Das frühe Hören und Wiedergeben von ganzen Liedtexten aus
Musik, die im Radio läuft, zeigt eher, wie lernfähig Kinder sind. Sie haben ein Recht
auf mehr. Diese Form ergreift jedoch nicht den Leib. Es geht im ersten Jahrsiebt um
die körperliche Entwicklung des Kindes. Ein QLED TV in UHD 4K mit wunderschöner
Meereswelle und traumhaftem Strand, ausgeschmückt mit Extras und Soundbars,
die einen raumfüllenden Klang erzeugen, können durchaus eine entspannte Wirkung
auf Kinder haben. Trotzdem waren die Kinder nicht im Wasser und haben nicht
schwimmen gelernt. Die unteren Sinne, also die Sinne, welche sich im ersten
Jahrsiebt entwickeln, werden nicht angeregt.
NK: Vielen Dank!

Glossar
Pentatonik – Aus fünf verschiedenen Tönen bestehende Tonleitern / Tonsysteme.
Quinte – Ein Intervall, welches fünf Tonstufen einer Tonleiter umspannt

Artikel

Messe: Soziales, Gesundheit und Pflege, Oktober 2024
Lernwoche Spiel (Kooperationsprojekt), Januar 2024
Kurzfilm gibt Einblicke in Arbeit, September 2023
Externes Personalmarketing, März 2023
Ein Schlüsselfaktor für die Personalgewinnung im Waldorfkindergarten

Das Familienministerium in Nordrhein-Westfalen will stärker gegen den Personalmangel in Kindertagesstätten vorgehen. Ein „Sofortprogramm“ soll schnelle Abhilfe schaffen. Dieses sieht vor, Externen und Quereinsteigern den Berufseinstieg zu erleichtern, landespolitische Kampagnen für die Personalgewinnung neu aufzulegen und multiprofessionelle Teams mit mehr Kinderpfleger:innen, welche praxisintegriert ausgebildet werden, zu fördern. Welche Bedeutung in diesem Zusammenhang der Schlüsselfaktor „externes Personalmarketing“ für Waldorfkindergärten einnimmt, wird im Folgenden aus der Perspektive des Kitamanagements dargestellt.

Es ist keine neue Erkenntnis, dass die Gewinnung von Personal für sozialpädagogische Einrichtungen und frühkindliche Bildungsinstitutionen gegenwärtig und insbesondere in Zukunft über ein nach außen gerichtetes Marketing (externes Personalmarketing), welches sich dezidiert auf die Personalakquisition konzentriert, erfolgen muss. Folglich obliegt es dem Personalmanagement der operativen Führungsebene von Waldorfkindergärten, Personalengpässe durch die Gewinnung von Waldorferzieher:innen, Auszubildenden, Externen und Quereinsteigern von außen zu kompensieren. In Anbetracht der Tatsache, dass mittlerweile auch im Sektor der frühkindlichen Bildungsinstitutionen mit Abwerbeversuchen von Personal gerechnet werden muss, wird dem externen Personalmarketing ohnehin eine hohe Bedeutung beigemessen. Hierbei stellt das „Employer Branding“ für ein erfolgreiches Personalmarketing ein wichtiges Element dar. Hinter diesem Ansatz steht die Vorstellung, ein Unternehmen beziehungsweise einen Betrieb mit Ausrichtung auf die Personalgewinnung und Personalbindung in der Wahrnehmung der Zielgruppen als attraktive Arbeitgebermarke zu positionieren. Für Träger waldorfpädagogischer Einrichtungen bedeutet dies konkret, dass sie für Arbeitnehmer nicht nur präsent sein müssen, vielmehr sollten sie auch als attraktiver Arbeitgeber auf dem Stellenmarkt wahrgenommen werden. Dies kann beispielsweise dadurch erfolgen, dass Arbeitnehmern das Leasing eines Firmenfahrrads (E-Bike) ermöglicht wird, welches sie privat und für den Arbeitsweg nutzen können oder durch die Teilfinanzierung einer Krankenzusatzversicherung. Auf diese Weise kann außerdem ein wichtiger Beitrag zum Gesundheits- und Klimaschutz geleistet werden.

Ferner sollte berücksichtigt werden, dass eine wettbewerbsfähige Unternehmenskommunikation (Corporate Communication), ein attraktives Kindergartenprofil, sowie eine gute Vernetzungsarbeit für ein erfolgreiches Employer Branding der Trägerschaft auf dem Arbeitsmarkt essenzielle Grundvoraussetzungen darstellen. Das Personalentwicklungskonzept sollte überdies eingebettet sein in ein strategisches Gesamtkonzept der Einrichtung mit einem Leitbild und langfristigen Organisationszielen, welche gemeinsam mit den Mitarbeiter:innen gestaltet werden. Die Träger und Einrichtungen sind daher aufgefordert, sich durch gezielte Markenpolitik respektive durch Sozialmarketing sukzessive von der klassischen Kindertagesstätte abheben, da sie sich als frühkindliche Organisation und insbesondere als Bildungsinstitution auf dem Arbeitsmarkt profilieren müssen. Auf diesem Weg können Waldorfkindergärten als eine hinsichtlich ihrer Unternehmensidentität attraktive Organisation wahrgenommen werden und Personal finden, welches sich darüber hinaus mit dem Träger und seiner Schwerpunktsetzung, der „Waldorfkindergartenpädagogik“ identifizieren und in der pädagogischen Arbeit verbinden kann.

Eine erfolgreiche Personalgewinnung, bestärkt durch landespolitische Maßnahmen und Sofortprogramme, kann nur dann gelingen, wenn für Waldorfkindergärten ein attraktives Arbeitgeberimage auf dem Stellenmarkt besteht und das Sozialmarketing der Träger wettbewerbsfähig ist. Nicht zuletzt werden sozialpädagogische Organisationen, der sozialen Arbeit, der Elementar- und Hortpädagogik kaum mehr umhinkönnen, ihre Arbeitsplätze bewusst zu ,verkaufen’, Kooperationen, zum Beispiel zu einem lokalen Fahrradhändler zu schließen, sowie internationale Partnerschaften, mit dem Ziel der Personalakquisition zu pflegen und Mittel bereitzustellen, welche eine innerbetriebliche Ausbildung kontinuierlich ermöglicht.

Ein Sofortprogramm wie jenes, welches vom Familienministerium in Nordrhein-Westfalen aufgelegt wurde, wird nur dann mittel- bis langfristige Erfolgsstrukturen in der Personalgewinnung bilden können, wenn Schlüsselfaktoren, wie das externe Personalmarketing von Trägern bewusst gestaltet und konkurrenzfähig etabliert werden.

Nils Johannes Kubiak

Nils Johannes Kubiak ist freier Autor und arbeitet im Waldorfkinderhaus-Herne e.V. als Kindheitspädagoge im Bereich Leitung und Management.

Kinderrechte, Dezember 2022

Man könnte glauben, sie seien selbstverständlich – die Kinderrechte. Aber dass es diese Rechte überhaupt in einer schriftlich festgelegten Form gibt, dafür haben die Vereinten Nationen (United Nations) gesorgt. Die Kinderrechte in Deutschland feiern im November 2022 ihren 30. Geburtstag. Bereits 1989 beschlossen die UN-Vertreter nach zehnjähriger gemeinsamer Arbeit die Kinderrechtskonvention. 1992 wurde diese von der Bundesrepublik anerkannt.

Die Kinderrechtskonvention ist ein Dokument, welches die kindlichen Bedürfnisse und Interessen hervorhebt. Das Kinderrechte-Regelwerk gilt für alle Kinder weltweit- ganz gleich, wo sie leben, welche Hautfarbe, Geschlecht oder Religion sie haben. Denn allen Kindern ist eines gemeinsam: Sie brauchen besonderen Schutz und Fürsorge, um sich gesund zu entwickeln und voll zu entfalten. Ihnen genau diesen Schutz zu geben, darum geht es in der Kinderrechtskonvention.

Auch Kinder haben eine geistige Individualität

Jeder Mensch, und damit auch jedes Kind, hat das Recht, seine eigene Meinung zu sagen. Die Gedanken des Kindes sind frei und es darf diese auch äußern. Das Recht der Freien Meinungsäußerung und Beteiligung ist nur eines der Kinderrechte, das für die frühpädagogische Arbeit in Kindertagesstätten im Mittelpunkt stehen sollte. Jeder Mensch in seinem intimsten Wesen nach ist eine geistige Individualität – das gilt auch für das Kind, da es genau wie ein Erwachsener den Anspruch auf Individualität in sich trägt.  Das bedeutet, dass alle den Grund ihres Daseins in sich selbst tragen.

Demnach sollte es in der Arbeit in Kindertagesstätten im Hinblick auf die Kinderrechte und in Bezug auf das Wohl des Kindes in der Erziehung von Kindern als selbstverständlich verstanden werden, einen gemeinsamen Weg dahingehend zu finden, dass das Kind selbst seinen Daseinsgrund frei, individuell und unbeschwert für sich entdecken kann. Wird in dem Zusammenhang vom Wohl des Kindes oder Kindeswohl gesprochen, ist damit ein am Wohl des Kindes ausgerichtetes Handeln gemeint, das die an den Grundrechten und Grundbedürfnissen von Kindern orientierte, für das Kind jeweils günstigste Handlungsalternative wählt.

Toleranz, Offenheit und Vielfalt

In frühpädagogischen Bildungs- und Betreuungseinrichtungen sollte es fernerhin als Selbstverständlichkeit erachtet werden, dass die Prinzipien Toleranz, Offenheit und Vielfalt als Grundsätze der Arbeit gepflegt werden. Es sollte sich zur Aufgabe gemacht werden, den Zusammenhang von Gleichheit und Verschiedenheit auf allen Bildungsebenen auszubalancieren und jedem Menschen das Recht auf gesellschaftliche Teilhabe und individuelle Entwicklung, unabhängig von Heterogenitätsmerkmalen wie ethnisch-kultureller Zugehörigkeit, Gender, sexueller Orientierung und Religion zu ermöglichen. Ziel jedes pädagogischen Handelns muss es sein, jedem Kind geeignete Rahmenbedingungen für seine individuelle Situation und seine Bedürfnisse zu bieten, damit es sich zurechtfinden und wohlfühlen kann.

Dazu gehört überdies ein im pädagogischen Alltag etabliertes, situationsorientiertes und stets für das Kind zugängliches Beschwerdemanagement. Dieses sollte es Kindern ermöglichen, sich bei den Erzieher:innen für ihre frühkindlichen Interessen und Rechte starkmachen zu können. Auf diese Weise können für die Kindesentwicklung, insbesondere betreffend der demokratischen- und partizipativen Bildung, günstige Voraussetzungen geschaffen werden.

Partizipativ mit Bildungsprozessen umgehen

Jedes Kind sollte in seiner Individualität wahr- und angenommen werden. Mit Kindern sollte partizipativ in Bezug auf die Bildungsprozesse der Einrichtung umgegangen werden. Und darüber hinaus sollte ermöglicht werden, dass Barrieren für die Teilhabe kritisch reflektiert und, wenn notwendig, zum Wohl des Kindes verändert werden.

Kinderrechte in Kitas, November 2022

Der Kindheitspädagoge Nils Kubiak, der im Waldorfkinderhaus-Herne e.V. arbeitet, wandte sich wie folgt anlässlich des Tages der Kinderrechte am Sonntag, 20. November 2022, an halloherne: 

„Man könnte glauben, sie seien selbstverständlich – die Kinderrechte. Aber dass es diese Rechte überhaupt in einer schriftlich festgelegten Form gibt, dafür haben die Vereinten Nationen (United Nations) gesorgt. Die „Kinderrechte in Deutschland“ feiern im November 2022 ihren 30. Geburtstag. Bereits 1989 beschlossen die UN-Vertreter nach zehnjähriger gemeinsamer Arbeit die Kinderrechtskonvention. 1992 wurde diese von der Bundesrepublik anerkannt.

Die Kinderrechtskonvention ist ein Dokument, welches die kindlichen Bedürfnisse und Interessen hervorhebt. Es ist bedeutsam zu erwähnen, dass dieses Kinderrechte-Regelwerk für alle Kinder weltweit gilt – ganz gleich, wo sie leben, welche Hautfarbe oder Religion sie haben und ob sie Mädchen oder Junge sind. Denn allen Kindern ist eines gemeinsam: Sie brauchen besonderen Schutz und Fürsorge, um sich gesund zu entwickeln und voll zu entfalten. Ihnen genau diesen Schutz zu geben, darum geht es in der Kinderrechtskonvention.

Auch Kinder haben eine geistige Individualität

Jeder Mensch hat das Recht, seine eigene Meinung zu sagen, auch das Kind. Die Gedanken des Kindes sind frei und es darf diese auch äußern. Das Recht der „Freien Meinungsäußerung und Beteiligung“ ist lediglich nur eines der Kinderrechte, welches für die frühpädagogische Arbeit in Kindertagesstätten im Mittelpunkt stehen sollte. In diesem Kontext ist es wichtig, darauf zu verweisen, dass jeder Mensch in seinem intimsten Wesen nach eine geistige Individualität ist – das gilt auch für das Kind, da es genau wie die Erwachsenen den Anspruch auf Individualität in sich trägt und dies bedeutet, dass jeder den Grund seines Daseins in sich selbst hat.

Infolgedessen sollte es in der Arbeit in Kindertagesstätten im Hinblick auf die „Kinderrechte“ und in Bezug auf das „Wohl des Kindes“ in der Erziehung von Kindern als selbstverständlich verstanden werden, einen gemeinsamen Weg dahingehend zu finden, dass das Kind selbst seinen Daseinsgrund frei, individuell und unbeschwert für sich entdecken kann. Wird im Zusammenhang mit den „Kinderrechten“ vom „Wohl des Kindes“ oder vom „Kindeswohl“ gesprochen, ist damit ein am Wohl des Kindes ausgerichtetes Handeln gemeint, welches die an den Grundrechten und Grundbedürfnissen von Kindern orientierte, für das Kind jeweils günstigste Handlungsalternative wählt.

Toleranz, Offenheit und Vielfalt

In frühpädagogischen Bildungs- und Betreuungseinrichtungen sollte es fernerhin als Selbstverständlichkeit erachtet werden, dass die Prinzipien „Toleranz“, „Offenheit“ und „Vielfalt“ als Grundsätze der Arbeit gepflegt werden. Es sollte sich zur Aufgabe gemacht werden, den Zusammenhang von Gleichheit und Verschiedenheit auf allen Bildungsebenen auszubalancieren und jedem Menschen das Recht auf gesellschaftliche Teilhabe und individuelle Entwicklung, unabhängig von Heterogenitätsmerkmalen wie ethnisch-kultureller Zugehörigkeit, Gender, sexueller Orientierung und Religion zu ermöglichen. Ziel jedes pädagogischen Handelns muss es sein, jedem Kind geeignete Rahmenbedingungen für seine individuelle Situation und seine Bedürfnisse zu bieten, damit es sich zurechtfinden und wohlfühlen kann.

Dazu gehört überdies ein im pädagogischen Alltag etabliertes, situationsorientiertes und stets für das Kind zugängliches „Beschwerdemanagement“. Dieses sollte es Kindern ermöglichen, sich bei den Erziehern für ihre frühkindlichen Interessen und Rechte starkmachen zu können. Auf diese Weise können für die Kindesentwicklung, insbesondere betreffend der „demokratischen- und partizipativen Bildung“, günstige Voraussetzungen geschaffen werden.

Partizipativ mit Bildungsprozessen umgehen

Für die Arbeit in Kindertagesstätten kann zusammenfassend festgehalten werden, dass jedes Kind in seiner Individualität wahr- und angenommen werden sollte, mit ihm partizipativ in Bezug auf die Bildungsprozesse der Einrichtung umgegangen werden sollte und darüber hinaus ermöglicht werden sollte, dass Barrieren für die Teilhabe kritisch reflektiert und, wenn notwendig, zum Wohl des Kindes verändert werden.“

Nils Kubiak

Die Kinderrechte, Oktober 2022

Eine Orientierung für die frühpädagogische Arbeit im Waldorfkindergarten Man könnte glauben, sie seien selbstverständlich – die Kinderrechte. Aber dass es diese Rechte überhaupt in einer schriftlich festgelegten Form gibt, dafür haben die Vereinten Nationen (United Nations/UN) gesorgt. Im Jahr 1989 beschlossen die UN-Vertreter:innen nach zehnjähriger gemeinsamer Arbeit die Kinderrechtskonvention. Dies ist ein Dokument, welches die kindlichen Bedürfnisse und Interessen akzentuiert. Die UN-Vertreter:innen (2021) merken hierzu an, dass dieses Kinderrechte-Regelwerk für alle Kinder weltweit gilt – ganz gleich, wo sie leben, welche Hautfarbe oder Religion sie haben und ob sie Mädchen oder Junge sind (S. 1). Denn allen Kindern ist eines gemeinsam: Sie brauchen besonderen Schutz und Fürsorge, um sich gesund zu entwickeln und voll zu entfalten. Ihnen genau diesen Schutz zu geben, darum geht es in der Kinderrechtskonvention.

Jeder Mensch hat das Recht, seine eigene Meinung zu sagen, auch das Kind. Die Gedanken des Kindes sind frei und es darf diese auch äußern. Das Recht der „Freien Meinungsäußerung und Beteiligung“ ist lediglich nur eines der Kinderrechte, welches für die frühpädagogische Arbeit im Waldorfkindergarten im Mittelpunkt stehen sollte. In diesem Kontext ist es bedeutsam zu erwähnen, dass jeder Mensch in seinem intimsten Wesen nach eine geistige Individualität ist – das gilt auch für das Kind, da es genau wie die Erwachsenen den Anspruch auf Individualität in sich trägt und dies bedeutet, dass jeder den Grund seines Daseins in sich selbst hat (vgl. Saßmannshausen 2015, S. 37). Infolgedessen sollte es im Waldorfkindergarten im Hinblick auf die „Rechte des Kindes“ und in Bezug auf das „Wohl des Kindes“ in der Erziehung von Kindern als selbstverständlich verstanden werden, einen gemeinsamen Weg dahingehend zu finden, dass das Kind selbst seinen Daseinsgrund frei, individuell und unbeschwert für sich entdecken kann. Wird im Zusammenhang mit den „Rechten des Kindes“ vom „Wohl des Kindes“ oder vom „Kindeswohl“ gesprochen, ist damit in Anlehnung an Maywald (2021) ein am Wohl des Kindes ausgerichtetes Handeln gemeint, welches die an den Grundrechten und Grundbedürfnissen von Kindern orientierte, für das Kind jeweils günstigste Handlungsalternative wählt (S. 13).

In der frühpädagogischen Arbeit im Waldorfkindergarten sollte es fernerhin als Selbstverständlichkeit erachtet werden, dass die Prinzipien „Toleranz“, „Offenheit“ und „Vielfalt“ als Grundsätze der Arbeit gepflegt werden. Herm (2014) merkt hierzu außerdem an, dass es sich zur Aufgabe gemacht werden sollte, den Zusammenhang von Gleichheit und Verschiedenheit auf allen Bildungsebenen auszubalancieren und jedem Mensch das Recht auf gesellschaftliche Teilhabe und individuelle Entwicklung, unabhängig von Heterogenitätsmerkmalen wie ethnisch-kultureller Zugehörigkeit, Gender, sexueller Orientierung und Religion zu ermöglichen (S. 734). Ziel jedes pädagogischen Handelns muss es sein, jedem Kind geeignete Rahmenbedingung für seine individuelle Situation und seine Bedürfnisse zu bieten, damit es sich zurechtfinden und wohlfühlen kann. Dazu gehört überdies ein im pädagogischen Alltag etabliertes, situationsorientiertes und stets für das Kind zugängliches „Beschwerdemanagement“. Dieses sollte es Kindern ermöglichen, sich bei den Erzieher:innen für ihre frühkindlichen Interessen starkmachen zu können. Auf diese Weise können für die Kindesentwicklung, insbesondere betreffend der „demokratischen- und partizipativen Bildung“, günstige Voraussetzungen geschaffen werden.

Für die Waldorfkindergartenpädagogik kann abschließend festgehalten werden, dass jedes Kind in seiner Individualität wahr- und angenommen werden sollte, mit ihm partizipativ in Bezug auf die Bildungsprozesse der Einrichtung umgegangen werden sollte und darüber hinaus ermöglicht werden sollte, dass Barrieren für die Teilhabe kritisch reflektiert und, wenn notwendig, zum Wohl des Kindes verändert werden.

Nils Johannes Kubiak

Nils Johannes Kubiak ist freier Autor und arbeitet im Waldorfkinderhaus-Herne e.V. als Kindheitspädagoge im Bereich Leitung und Management sowie als Vorschulpädagoge.

Literaturverzeichnis

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2019). Starkmachen für Kinderrechte. Die Kinderrechte-Bustour (1. Auflage). Berlin: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.

Herm, S. (2014). Integration von Menschen mit Behinderungen. In Veronika Baur, Karin Beher & Saskia Bender & et al. (Hrsg.), Kinder erziehen, bilden und betreuen. Lehrbuch für Ausbildung und Studium (3. Auflage, 2. Druck, S. 728-739). Berlin: Cornelsen Schulverlage GmbH.

LWL & LVR (2020). AN ALLE DENKEN. Empfehlung zur Erstellung einer inklusionspädagogischen Konzeption. Köln: LWL & LVR.

Maywald, J. (2021). Kindeswohl in der Kita. Leitfaden für die pädagogische Praxis (2. Auflage). Freiburg im Breisgau: Verlag Herder GmbH.

Quellenverzeichnis

UNICEF (2021). UN-Kinderrechtskonvention. Abgerufen am 21.09.2021 von https://www.unicef.de/informieren/ueber-uns/fuer-kinderrechte/un-kinderrechtskonvention .

UNIFEF (2021). Die UN-Kinderrechtskonvention. Regelwerk zum Schutz der Kinder weltweit. Abgerufen am 24.11.2021 von https://www.unicef.de/informieren/ueber-uns/fuer-kinderrechte/un-kinderrechtskonvention .

Zur Sozialgestalt im Waldorfkindergarten, August 2022

Das Bild der Erzieher:innen am Beispiel von Saßmannshausen
Der Begriff „Sozialgestalt“ im Waldorfkindergarten bezieht sich auf ein pädagogisches Leitmotiv, welches den Grundsatz „Erziehung ist Begegnung“ akzentuiert. Dies bedeutet, dass Erziehung im Waldorfkindergarten dort stattfindet, wo sich Erzieher:innen, Kinder und Eltern auf einer sozialen und zugleich wertschätzenden Ebene begegnen können. Hierbei geht die Waldorfkindergartenpädagogik davon aus, dass das Kind den Erwachsenen nachahmend als Vorbild sucht, also als denjenigen, der buchstäblich Lebensschritte vorbildet. Elemente wie die Persönlichkeit der Erzieher:innen, die Grundhaltung, das Wesen und nicht zuletzt das Fachwissen über die konzeptionelle Arbeit der jeweiligen Einrichtung, sind in diesem Zusammenhang wesentliche Bestandteile der Erziehungsarbeit.

Ferner kann die Erarbeitung von Wissen und der Erwerb von definierten Fähigkeiten in gewisser Kontinuität einen tiefen Einfluss auf die Haltung und somit auf das frühpädagogische Handeln von Erzieher:innen haben. Daher gehöre es in Anlehnung an Saßmannshausen (2003; 2015; 2019) zum Bild der Erzieher:innen, Selbstbildungsprozesse, welche sich zu unterschiedlichen biografischen Lebensabschnitten verschiedenartig gestalten können, zu erfahren. Darüber hinaus gehöre es ohnehin zum Bild der Erzieher:innen, sich bewusst mit der eigenen Persönlichkeit auseinanderzusetzen und sich durch Weiterbildung und der damit einhergehenden Selbstbildungsprozesse im Rahmen der Waldorfkindergartenpädagogik für den praktischen Alltag fortzubilden. Übungen zu methodisch-didaktischen Fragestellungen, zur Kinderbeobachtung und Kinderbeschreibung, sowie zur Konferenz- und Elternarbeit sind in diesem Kontext außerdem bedeutsam.

Mit dem Erwerb von fachlichem Wissen, welches im Rahmen der Selbst- und Weiterbildung in der Waldorfkindergartenpädagogik gewonnen werden kann, geht des Weiteren der Prozess der sogenannten „abendlichen Rückschau“ einher. Wiehl & Auer (2019) merken hierzu an, dass erworbenes Fachwissen durch eine bewusste Reflexion und Einbindung von Tagesereignissen zu einer höheren Selbsterkenntnis und infolgedessen zu mehr Kompetenz im praktischen Alltag führen kann. Dies lässt darauf schließen, dass es für Erzieher:innen stets von hoher Bedeutung ist, erworbenes Fachwissen mit Geschehnissen aus dem Kindergartenalltag zu verknüpfen, damit von einer adäquaten Interpretation der konzeptionellen Grundlagen ausgegangen werden kann. Patzlaff & Saßmannshausen (2020) ergänzen überdies, dass Erziehung in erster Linie Selbsterziehung der Erzieher:innen sei, da diese mehr bewirke als jedes noch so gute Erziehungs- und Bildungsprogramm. Damit folglich der pädagogischen „Vorbildfunktion“ entsprochen werden kann, wird also empfohlen, dass sich Erzieher:innen in ihrem Tätigsein reflektieren und die auf diese Weise gewonnen Erkenntnisse, mit dem Ziel, die Qualität der pädagogischen Arbeit zu steigern, in die Arbeit am Kind einfließen lassen. Dies bestätigen auch Kardel, McKeen & Patzlaff et al. (2015), indem sie anmerken, dass alle Fragen, die mit den Kindern und ihrer Entwicklung zusammenhängen, zugleich auch immer Fragen an die Erzieher:innen selbst sind, zum Beispiel in welcher Weise sie sich verändern können, um dem Kind einen entsprechenden Entwicklungsraum zu geben.

Abschließend kann festgehalten werden, dass, nur wenn Bildung und Erziehung auf die aktuelle Begegnung setzten und Kind und Erzieher:innen einander als nicht austauschbare einmalige Partner:innen dieser Begegnung anerkennen können, kann von einer qualitativen Begegnung in der Erziehungskunst im Rahmen der Sozialgestalt im Waldorfkindergarten gesprochen werden.

Nils Johannes Kubiak

Literaturverzeichnis

Kardel, T., McKeen, C. & Patzlaff, R. et al. (2015). Waldorfpedagogik für die Kindheit von 3 bis 9 Jahren. Bildungsziele Bildungsbereiche Bildungsbedingungen (3., durchgesehene Auflage). Stuttgart: Pädagogische Forschungsstelle beim Bund der Freien Waldorfschulen e.V..

Patzlaff, R. & Saßmannshausen, W. (2020). Leitlinien der Waldorfpädagogik für die Kindheit von 3 bis 9 Jahren (4. Auflage). Stuttgart: Pädagogische Forschungsstelle beim Bund der Freien Waldorfschulen e.V..

Saßmannshausen, W. (2003). Waldorfpädagogik im Kindergarten. Profile für Kitas und Kindergärten. Freiburg im Breisgau: Verlag Herder.

Saßmannshausen, W. (2015). Waldorfpädagogik im Kindergarten. Pädagogische Ansätze auf einen Blick. Freiburg im Breisgau: Verlag Herder GmbH.

Saßmannshausen, W. (2019). Erziehung ist Begegnung. Menschen zwischen Werden und Sein. Frankfurt am Main: Info3-Verlagsgesellschaft Brüll & Heisterkamp KG.

Vieser, A. (2020). Vorbild und Achtsamkeit im Tagesablauf des Waldorfkindergartens. In Wiehl, A. (Hrsg.), Studienbuch Waldorf-Kindheitspädagogik (S. 151-164). Bad Heilbrunn: Verlag Julius Klinkhardt.

Wiehl, A. & Auer, W. (2019). Kindheit in der Waldorfpädagogik (1. Auflage). Weinheim und Basel: Beltz Juventa.

Vorschularbeit im Waldorfkinderhaus-Herne e.V., Juni 2022
Auswirkungen auf die Schulfähigkeitsentwicklung für die 1. Klasse in einer Waldorfschule

In der heutigen Bildungsdebatte ist der Übergang vom Kindergarten in die Schule und die Kooperation der jeweiligen Institutionen ein großes Thema geworden. Eine bedeutsame Aufgabe der Kooperation liegt daher besonders bei getrennt arbeitenden Einrichtungen auf der Ebene der frühpädagogischen Gestaltung des Übergangs vom Kindergarten in die Schule. Die Waldorfpädagogik folgt dabei dem Grundsatz, dass die kognitiven und intellektuellen Fähigkeiten des Schulkindes über konkrete Tätigkeiten des Kindes im Kindergarten veranlagt werden, über das Erwerben körperlich-motorischer Geschicklichkeit und das aktive Miterleben sinnvoller Arbeits- und Lebensprozesse. Anders gesagt: Für die Bildungsprozesse, die in der Waldorfschule an das Kind herangetragen werden, wird im Waldorfkindergarten eine frühpädagogische Grundlage gelegt. Vor diesem Hintergrund stellt die Vorschularbeit im Waldorfkinderhaus-Herne e.V. für die Schulfähigkeitsentwicklung der Vorschulkinder im Hinblick auf die 1. Klasse in einer Waldorfschule eine der zentralen pädagogischen Schwerpunkte dar.

Nils Johannes Kubiak ist im Waldorfkinderhaus-Herne e.V. als Kindheitspädagoge und Bereich Leitung und Management tätig und hat die von seiner Mutter (Martina Tyzak-Kubiak) im Jahre 1994 gegründete Einrichtung als Kind selbst besucht. Mittels der von ihm im Rahmen einer Einzelfallstudie erhobenen Befunde konnte er zeigen, dass sich die Vorschularbeit positiv auf die vorschulische Kindesentwicklung der Vorschulkinder auswirkt. Die Qualität der Vorschularbeit zeige sich im Besonderen daran, dass die Schulfähigkeitsentwicklung der Vorschulkinder dahingehend unterstützt wird, dass einerseits ihre vorschulischen Interessen, Kompetenzen und ihre Lernfreude angeregt und gefördert wird und anderseits eine Grundlage für jene Bildungsprozesse geschaffen wird, welche in der 1. Klasse in einer Waldorfschule an die Kinder herangetragen werden. Insbesondere dadurch, dass die Vorschulkinder durch Vertrautheit und Wiederkehr von Erlebtem in der lernmethodischen Findungsphase für sich eine Sicherheit erfahren, kann von einer ganzheitlichen Vorbereitung und Ausbildung auch in Bezug auf die Persönlichkeitsentwicklung der Vorschulkinder und im Hinblick auf die Schulfächer und den Schulunterricht im 1. Schuljahr einer Waldorfschule ausgegangen werden.

Ferner konnte die Einzelfallstudie zeigen, dass sich die Vorschularbeit qualitativ auf die Vorschulkinder auswirkt, indem die Kinder frühkindliche Bildungsprozesse selbst gestalten, statt „beschult“ oder gar dazu angehalten werden, künstlerisch-gestalterische Tätigkeiten vom Blickpunkt der „Produktivität“ herzustellen zu müssen. Die „handwerklichen Tätigkeiten“, die „Vorschulmappe“ und die „Vorschuleurythmie“, welche die Vorschularbeiten im Waldorfkinderhaus-Herne e.V. darstellen, verstehen sich als Medium, welches dazu dient, die Vorschulkinder durch Freude am Lernen und inmitten einer sozialen Gruppendynamik in ihrer „Schulfähigkeitsentwicklung“ zu bestärken.

Nils Johannes Kubiak

Die Einzelfallstudie wird auf Anfrage unter nilsjohanneskubiak@t-online.de vom Studienautor zur Verfügung gestellt.

Quellen:

Kardel, T., McKeen, C. & Patzlaff, R. et al. (2015). Waldorfpedagogik für die Kindheit von 3 bis 9 Jahren. Bildungsziele Bildungsbereiche Bildungsbedingungen (3., durchgesehene Auflage). Stuttgart: Pädagogische Forschungsstelle beim Bund der Freien Waldorfschulen e.V..

Krohmer, B. (2011). Kooperation zwischen Waldorfschulen und Waldorfkindergärten. Medizinisch-Pädagogische Konferenz. Rundbrief für in der Waldorfpädagogik tätige Ärzte, Erzieher, Lehrer, Eltern und Therapeuten, 59(11), S. 74-78.